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Süßer Tod

Süßer Tod

Titel: Süßer Tod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: S Brown
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entschuldigte sie sich wortreich. Der Terminplan der Richterin sei bis zum Abend randvoll. »Seit der Ernennung durch den Präsidenten ist hier unglaublich viel los.«
    »Natürlich.« Britt hörte die Abfuhr heraus. Als der Präsident der Vereinigten Staaten Cassandra Mellors als Richterin für den U.S. District Court vorgeschlagen hatte, hatte Britt darüber berichtet und auch ein ausführliches Interview mit der Richterin geführt. Der Schlusssatz ihrer Reportage hatte gelautet: »Bestimmt ist die Zustimmung des Senats zur Ernennung von Richterin Mellors eine reine Formsache.«
    Offenbar wünschte die Richterin, dass es eine Formsache blieb, und wollte auf keinen Fall mit jemandem in Verbindung gebracht werden, der in eine Skandalstory verwickelt war.
    Als Nächstes probierte es Britt bei dem Inhaber einer privaten Versicherungsgesellschaft, der die Falschberechnungen und Fehlinformationen einiger großer Versicherungskonzerne aufgedeckt hatte. Seine Anschuldigungen hatten zu Klagen und kostspieligen Gegenklagen geführt. Als er in letzter Instanz gesiegt hatte, hatte Britt ein Feature über ihn gebracht, in dem sie ihn als David darstellte, der einen Goliath niedergerungen hatte. Damals hatte er erklärt: »Falls ich jemals etwas für Sie tun kann…«
    Doch als sie anrief, war er genau wie die Richterin zu beschäftigt, um mit ihr zu sprechen. Das bekam sie jedenfalls zu hören.
    Ein Arzt, der die Hälfte seiner Arbeitszeit mittellosen Patienten spendete. Ein Pärchen, das nach dem Tod ihres Kindes eine Stiftung zum Kampf gegen jugendliche Diabetes gegründet hatte. Ein Pilot, der ein trudelndes Flugzeug sicher zu Boden gebracht und damit allen Insassen das Leben gerettet hatte.
    Sie arbeitete die ganze Liste ab. Vergeblich. Entweder hatte jeder in Charleston an diesem Nachmittag ungewöhnlich viel zu tun, oder sie war in dem Moment, in dem sie neben dem toten Jay Burgess aufgewacht war, vom Superstar zur Leprakranken mutiert.

    Schließlich rief sie den Manager ihres Fernsehsenders an, um ihm dafür zu danken, dass er am Morgen so schnell auf ihre Bitte um Hilfe reagiert hatte. »Mr Alexander ist ein Geschenk des Himmels.« Das war ziemlich weit hergeholt, aber sie versuchte, so aufrichtig wie möglich zu klingen.
    »Das ist eine sehr unangenehme Geschichte, Britt.«
    »Allerdings. Mir gefällt das ganz und gar nicht.«
    »Ich habe mein Okay gegeben, deine Pressekonferenz auf unserem Sender auszustrahlen. Inzwischen zweifle ich an der Richtigkeit meiner Entscheidung.«
    Das überraschte sie. »Ach? Warum?«
    »Weil man uns vorwerfen könnte, wir würden einseitig berichten.«
    »Unsere Reporter haben genauso direkt und scharf nachgefragt wie alle anderen.«
    »Manche sehen das anders.«
    »Wie wer zum Beispiel?«
    »Das Police Department. Ein paar Leute in der Stadtverwaltung. Jay Burgess war ein Held. Die Leute mögen es nicht, wenn man ihm unterstellt, er hätte einer Frau Drogen untergeschoben, um sie ins Bett zu bekommen.«
    »Ich habe extra betont, dass ich Jay das nicht unterstelle.«
    »Das hast du gesagt, aber die Leute sind nicht blöd. Sie können zwischen den Zeilen lesen.«
    »Ich habe kein einziges Mal…«
    »Jedenfalls bin ich froh, dass du angerufen hast. Ich wollte dich sowieso heute Abend anrufen.«
    »Ich danke dir für dein Mitgefühl.«
    Es folgte eine kurze, aber vielsagende Pause. »Ehrlich gesagt, Britt, wollte ich dich anrufen, um dir zu sagen, dass du morgen nicht zu kommen brauchst.«
    Die Redewendung über den Teppich, der einem unter den Füßen weggezogen wird, war eine wirklich passende Analogie. Bis dahin war sie nur beunruhigt gewesen. Jetzt stürzte sie mit
den Armen rudernd und in dem sicheren Wissen, dass unter ihr nur nackter Fels war und sie im nächsten Moment aufschlagen würde, ins Leere.
    Sie war so fassungslos, dass sie weder reden noch atmen oder denken konnte. Damit hatte sie überhaupt nicht gerechnet. Bestimmt hatte sie ihn falsch verstanden. Wünschte – nein, verlangte – er tatsächlich von ihr, nicht zur Arbeit zu erscheinen?
    Schließlich hatte sie die Sprache wiedergefunden. »Deine Fürsorge rührt mich, aber es geht mir gut. Wirklich. Ich will arbeiten. Ich muss.«
    Das war nicht gelogen. Wenn sie plötzlich vom Bildschirm verschwand, würden alle annehmen, dass sie sich versteckte, weil sie etwas zu verbergen hatte. Das hatte sie nicht, und sie wollte auf keinen Fall diesen Eindruck erwecken. Außerdem würde sie verrückt, wenn sie auch nur einen

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