Süßer Tod
zweiundsiebzig Stunden im Körper verblieb.
Als der erwartete Anruf endlich kam, brachte er nicht die erhoffte Botschaft. »Es tut mir leid«, kam der Anwalt direkt zur Sache, »aber in Ihrem Urin konnte keine der gesuchten Substanzen nachgewiesen werden.«
In die Ecke des Sofas gepresst, das Handy fest umklammernd, atmete sie tief durch. »Ehrlich gesagt habe ich nichts anderes erwartet. Diese Drogen wirken schnell und effektiv und lösen sich genauso schnell wieder auf. Das macht sie so attraktiv für jedes Dreckschwein, das sie einer Frau in den Drink kippt.«
»Ja, durchaus …«
Dann teilte er ihr mit, dass ihm der Polizeichef wie auch das Büro des Staatsanwaltes den Kopf gewaschen hatten, weil sie eine Pressekonferenz gegeben hatten. »Sie meinten, wir hätten das zuerst mit ihnen besprechen sollen. Ich habe vorgebracht, dass Sie nicht unter Verdacht stehen, dass bis jetzt noch nicht einmal feststeht, ob überhaupt ein Verbrechen vorliegt, und dass Sie nur Ihr verfassungsgemäßes Recht auf freie Rede wahrgenommen hätten.«
»Oh. Das hat ihnen bestimmt mächtig Angst gemacht.«
Offenbar war ihr der Sarkasmus anzuhören. »Jedenfalls«, fuhr er verdrießlich fort, »haben Sie sich damit beim CPD und vor allem bei den Detectives Clark und Javier nicht gerade beliebt gemacht. Man hat mir gegenüber durchklingen lassen, dass Sie möglicherweise versuchten, die Ermittlungen zu behindern.«
Die Pressekonferenz einzuberufen war ein kalkuliertes Risiko gewesen. Ihr war bewusst gewesen, dass man im Police Department nicht besonders begeistert wäre. Aber sie hatte klarstellen wollen – und zwar öffentlich –, dass ihre Erinnerungslücke in Jays Todesnacht am ehesten damit zu erklären war, dass man ihr eine Droge untergeschoben hatte. Nachdem die Urinanalyse nichts ergeben hatte, war sie umso froher, dass sie ihren Verdacht öffentlich gemacht hatte.
»Wenn es sein muss, unterziehe ich mich auch einer Computertomografie, um nachzuweisen, dass ich keinen Gehirntumor oder andere körperliche Leiden habe, die zu diesem Blackout geführt haben.«
Jetzt war der Anwalt an der Reihe, sarkastisch zu werden. »Immerhin gab es eine Flasche Scotch.«
Sie wollte ihn schon fragen, auf welcher Seite er eigentlich stand, aber dann sparte sie sich die Energie, die ohnehin langsam versiegte. »Jay war mein Freund, und ich trauere um ihn. Er hatte Krebs im Endstadium und starb im Schlaf, was viele für einen Segen halten würden. Aber weil man mich aus dem Fernsehen kennt, er ein stadtbekannter Held war und wir dem Anschein
nach miteinander geschlafen haben, wurde sein Tod zum Medienereignis aufgebauscht. Ich bedauere das zutiefst für ihn. Es gibt seinem Tod einen entwürdigenden Beigeschmack.«
»Aber Sie verstehen, dass sich die Polizei verpflichtet fühlt, genau zu ermitteln, was ihm widerfahren ist.«
»Natürlich. Ich verstehe nur nicht, warum man sich nicht verpflichtet fühlt zu ermitteln, was mir widerfahren ist.«
»Der entscheidende Unterschied liegt auf der Hand, meinen Sie nicht auch? Sie sind am Leben.«
Nach dem Gespräch war sie noch wütender und fühlte sich im Stich gelassen. Wie sollte sie die Polizei überzeugen, wenn nicht einmal ihr Anwalt sie für ein Opfer hielt? Vielleicht hatte sie vorschnell über jene Freunde geurteilt, die heute angerufen hatten. Vielleicht hatten sie sich wirklich um sie gesorgt. Vielleicht hatte sich Britt nur eingebildet, dass sie heimlich nach schlüpfrigen Details angeln wollten.
Sie brauchte unbedingt standhafte Verbündete, die nicht an ihrem Gedächtnisverlust und vor allem nicht an ihrer Integrität zweifelten. Auf die übliche loyale Gruppe wie Eltern, Geschwister oder einen Ehemann konnte sie nicht zurückgreifen. Und sie kannte keinen Geistlichen, der ihr Beistand und Rat geben konnte.
Dafür verfügte sie über eine ganze Liste von Prominenten, die ihr einen Gefallen schuldeten. Neben ihren Nachrichtenreportagen machte sie auch Porträtsendungen oder Beiträge über Alltagsgeschichten. Die Menschen, über die sie berichtete, hatten ihrer Meinung nach Anerkennung für ihre persönlichen Leistungen verdient. Diese Schulden hatte sie höchst selten bis nie eingelöst. Jetzt kam sie nicht mehr umhin.
Sie wählte die Nummer des ersten Namens auf der Liste.
»Büro von Richterin Mellors.«
»Hallo. Ist die Richterin zu sprechen?«
»Wer ruft an, bitte?«
Sie nannte ihren Namen und wurde gebeten zu warten. Als die
Sekretärin wieder am Apparat war,
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