Süßer Zauber der Sinnlichkeit
wenigen Male, bei denen es zu einem Gespräch gekommen war, hatte Armand sich seiner Begleiterin gegenüber mit vorsichtiger Höflichkeit ausgedrückt, wodurch sich nach Dominies Empfinden eine gewisse Distanz zwischen ihnen aufzutun begann. Obgleich ihr klar war, dass ihr das eigentlich recht sein musste, vermisste sie doch das neckische Gezänk, das ihre Wanderung bisher begleitet hatte.
Sie räusperte sich, um Armand auf sich aufmerksam zu machen. "Bevor wir die Burg erreichen, möchte ich dich um einen Gefallen bitten."
"Du weißt doch, dein Wunsch ist mir Befehl!" Er sah sie beim Sprechen nicht an, sondern hielt den Blick unverwandt nach vorn auf das Gebäude gerichtet.
"Nach unserer Ankunft", fuhr sie fort, "wird es gewiss Fragen bezüglich unserer Reise von Breckland hierher geben."
"Ach?"
In dem einen Wort lag ein Höchstmaß an Argwohn, so dass Dominie unwillkürlich einen schärferen Ton anschlug. "Als ich damals aufbrach, habe ich keiner Menschenseele mein Reiseziel verraten. Man hätte versucht, mich von meinem Vorhaben abzubringen. Ich wollte aber auch keine falschen Hoffnungen wecken. Es hätte sich ja herausstellen können, dass Pater Clement sich irrte, als er dich zu sehen glaubte, damals, als er meine Mutter auf der Wallfahrt begleitete. Wahrscheinlich haben die Leute auf Wakeland angenommen, ich hätte mich nach Harwood aufgemacht, um dort das Pflügen und die Frühjahrsaussaat zu überwachen."
Offenbar überraschte es Armand nicht sonderlich, dass sie ihre Angehörigen samt Gesinde an der Nase herumgeführt hatte. "Und was hat das mit dem Gefallen zu tun, den du von mir erbittest?"
"Meine Mutter erleidet mit Sicherheit einen Ohnmachtsanfall, wenn sie von unserem Bad im Bache erfährt oder von meinem … Zwischenfall mit jenem Strolch!" Ehe Armand seine üblichen Einwände vorbringen konnte, nahm sie ihm den Wind aus den Segeln. "Ich verlange ja nicht, dass du lügst. Schweige nur einfach zu diesem Thema und lass mich für uns beide sprechen, wenn man dir unangenehme Fragen stellt!"
Während ihres restlichen Rittes sprachen sie kein Wort miteinander. Als sie am Burgtor angelangt waren, vernahmen sie von oben die Stimme des Wachpostens. "Halt! Wer da?"
"Deine Herrin, Will, Sohn von Edgar!" wetterte Dominie. "Falls du das nicht erkennen kannst, dann sind deine Augen wohl nicht mehr scharf genug für den Wachdienst!"
"Euch, H…Herrin, s…sah ich durchaus", stammelte der Wächter. "Wer aber ist der fromme Mann dort in Eurer Begleitung?"
Ehe Dominie darauf antworten konnte, erhob Armand die Stimme, in welcher ein so begeisterter Unterton schwang, wie sie ihn jahrelang nicht vernommen hatte. "Ich nehme es dir nicht übel, Master Will, dass du mich nicht erkennst. Viele Lenze sind gekommen und wieder vergangen, seitdem du mir das Wachestehen mit dir auf diesem Tor schmackhaft gemacht hast!"
"My…Mylord Flambard? Seid Ihr's wirklich? Zurückgekehrt nach Wakeland?" In der Frage des Wachpostens schwang ungläubiges Staunen, aber auch Furcht mit. "Seid Ihr etwa von den Toten auferstanden?"
Den Kopf in den Nacken gelegt, brach Armand in herzhaftes, gutmütiges Gelächter aus, welches Dominie einen Stich ins Herz versetzte, denn es weckte in ihr viele süße Erinnerungen. "Fürchte dich nicht, Will! Ich bin kein Geist!"
Dominie sprach etwas lauter, damit auch die Menschen im Burghof sie hören konnten. "Ich kann bezeugen, dass Lord Flambard so gesund und munter ist wie eh und je. Er ist gekommen, um uns in unserem Kampfe gegen die Geißel der Fenns zu führen!"
"Das ist in der Tat eine gute Nachricht, Lady!" rief der Posten aus. "Die Leute auf Harwood werden jubeln, wenn sie das hören!"
"Dazu haben sie auch allen Grund", versicherte Dominie. "Aber wenn du dich jetzt nicht sputest und uns einlässt, dann geleite ich Seine Lordschaft weiter nach Harwood, wo man uns wahrscheinlich angemessener willkommen heißt!"
"Vergebung, meine Herrschaften!" Der völlig verwirrte Torwächter beeilte sich, ihnen zu öffnen. "Ich war wie vor den Kopf geschlagen, da habe ich mich vergessen. Und ich halte mich auch nur streng an Euren Befehl, immer sorgsam darauf zu achten, wen ich in diese Mauern hineinlasse."
"Das will ich meinen, Master Will!" Als sie in den Wirtschaftshof einritt, lächelte sie ihm zu, damit der arme Kerl auch merkte, dass sie ihm seine Achtsamkeit nicht übel nahm. "Da nun Lord Flambard eingetroffen ist, um unsere Verteidigung zu übernehmen, können wir möglicherweise hoffen, dass der
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