Süßer Zauber der Sinnlichkeit
zu wandern.
Während sie dahinzogen, erkundigte Armand sich nach den Veränderungen, welche die vergangenen fünf Jahre für die Anwesen mit sich gebracht hatten. Je mehr er erfuhr, desto größer wurde seine Bewunderung für Dominie.
Und je näher sie dem Landstrich kamen, in welchem er erzogen und ausgebildet worden war, umso leichtfüßiger schritt er aus, und umso aufmerksamer forschte sein Blick nach vertrauten Markierungspunkten. Ihm war, als fingen die Saiten seiner Seele in einer wehmütigen Weise zu schwingen an, voll süßer, tiefer Melancholie.
Die Nacht verbrachten sie im Schutze eines Schäferkobens, der aufgegeben worden war, weil die Weidegründe in diesen gesetzlosen Zeiten zu entlegen und damit gefährdet waren. Sie teilten sich ein karges Mahl aus Brot und Dörrfleisch, das Dominie in ihrem Beutel mit sich getragen hatte. Danach legten sie sich schlafen, eingehüllt in Schaffelle, die zwar alt und nicht die saubersten waren, doch so wohlig warm, dass Armand den stechenden Schafsgeruch gerne ertrug. Nach einem gemurmelten Nachtgebet versank er in Schlaf und schlummerte so tief wie nie zuvor in seiner gesamten vorherigen Klosterzeit.
Am nächsten Morgen wurde er wach, als Dominie seinen Namen murmelte und ihre Hand energisch seine Schulter rüttelte. "Wach auf, Armand! Es ist schon spät. Wir müssen endlich aufbrechen! Ehe die Sonne untergeht, will ich unbedingt daheim sein!"
Langsam schlug er die Augen auf, um sich zum ersten Male an diesem Tage an Dominies Anblick zu erfreuen. Mit der verklärten Erscheinung aus seinen ehemaligen Träumen hatte sie nicht mehr viel gemein. Strohhalme staken in ihrem Haar. Bräunliche Sommersprossen sprenkelten ihre Nase, und hauchdünne Sorgenfältchen, die ihm zuvor nicht aufgefallen waren, hatten sich um die Augen herum in die Haut gegraben. Trotz dieser Dinge, vielleicht aber auch gerade wegen ihnen, bewegte ihn ihre erwachsene Schönheit in einer Weise wie nie zuvor.
Als sich ihre Blicke begegneten, wechselte etwas gefährlich Vertrautes von Augenpaar zu Augenpaar, welches auch Dominie offenbar nicht entging. Blitzschnell zog sie die Hand von seiner Schulter zurück, um dann hastig und atemlos fortzufahren: "Der Himmel allein mag wissen, was für ein Durcheinander ich vorfinden werde, nachdem ich volle sechs Tage fort war! Möglicherweise ist Gavin von der Brustwehr gefallen oder hat eins der Pferde so lange geritten, bis es lahmt. Oder Mutter hatte einen Schwächeanfall, oder das Bier ist sauer geworden, oder mein Tributeintreiber ist mit den Pachtzahlungen durchgebrannt."
Armand setzte sich auf und reckte sich. "Dann sollten wir uns beeilen, solange wir hoffen dürfen, dass zumindest die Burgmauern noch stehen." Ein neuer Gedanke fuhr Armand in den Sinn, und bevor er sich eines Besseren besinnen konnte, war die Frage schon heraus. "Warum hast du dir keinen Gemahl gesucht? Er hätte dir doch die Last von der Schulter nehmen oder sie zumindest mit dir teilen können!"
Wäre dir das tatsächlich recht gewesen? fragte er sich im selben Atemzug. Hätte Dominie sich vermählt, wäre ein Fremder Herr über Armands ehemalige Lehen sowie Träger seines Titels geworden. Das allerdings beunruhigte ihn nicht so sehr wie die Vorstellung, dass ein anderer Mann das Lager mit Dominie teilte.
Vielleicht fiel ihr der Hintersinn seiner Frage nicht auf, denn sie tat sie mit einer wegwerfenden Bemerkung ab, wobei sie sich gleichzeitig nach ihrem Brotbeutel bückte. "In Kriegszeiten sind gute Männer Mangelware und obendrein mit wichtigeren Dingen beschäftigt als mit dem Brautwerben."
"Aber an Angeboten wird's dir doch sicherlich nicht gemangelt haben!" Kein Zweifel – bei einer solchen Schönheit und einer solch ansehnlichen Mitgift als Draufgabe! Bei der Vorstellung krampfte sich sein Magen zusammen.
Dominie legte den Kopf schräg und zog ein missmutiges Gesicht. "Von den wenigen, die zur Verfügung standen, wären mir die meisten keine große Hilfe gewesen. Einer oder zwei von denen, die mir recht brauchbar erschienen, kamen mir etwas zu ehrgeizig vor. Ich fürchtete, sie würden sich eventuell nicht mit den Ländereien aus meiner Mitgift zufrieden geben, sondern hätten es unter Umständen auch auf Gavins Besitzungen abgesehen!"
Ob das, so sinnierte Armand, die einzigen Gründe waren, die Dominie von einer Heirat abgehalten hatten? Damals nämlich war sie nur zu bereit gewesen, im Gegenzug für seinen Beistand mit ihm die Ehe einzugehen.
"Gavin …" Lieber
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