Süßer Zauber der Sinnlichkeit
Winzigkeit, auch wenn er mit gerunzelter Stirn nach wie vor eher grüblerisch als fröhlich wirkte. "Du hast gemerkt, ich bin dir mehr ein Klotz am Bein als Beistand – ein strahlender Held, gehemmt durch sein törichtes Gelöbnis!"
"Das stimmt zum Teil." Sie senkte den Blick. "Aber nicht ganz."
Wie sie es verabscheute, ihre Fehler einzugestehen! Armand indes hatte es verdient, die Wahrheit zu erfahren. "Heute habe ich erkannt, wie rasch und unerwartet der Tod uns ereilen kann. Es hat mich veranlasst, mein Handeln und meine Beweggründe in der gesamten Sache zu überprüfen. Ich bin zu dem Ergebnis gelangt, dass ich keineswegs stolz sein kann, weder auf das eine noch auf das andere. Ich habe Notlagen als Vorwand für zu viele Missetaten vorgeschoben."
Sollte er sich doch an dem Wissen ergötzen, dass er sie richtig eingeschätzt hatte!
Hätte ich, so Armand stumm, meine Taten und Beweggründe wohl einer solch drastischen Betrachtung unterworfen? Hätte er wohl feststellen müssen, dass seine hehren Ideale nichts weiter waren als ein zwar mutig wirkendes, doch nur zu willkommenes Bollwerk, um dahinter Gewissensbisse und Wankelmut zu verbergen? Sogar vielleicht einen Hauch Feigheit? Und sollte er tatsächlich solche erbärmliche Charakterschwäche bei sich entdecken – würde er wohl den Schneid aufbringen, derart reinen Tisch zu machen, wie Dominie es soeben getan hatte?
"Möchtest du denn, dass ich nach Breckland zurückkehre, sobald ich dich sicher nach Hause gebracht habe?" wollte er von ihr wissen. Dabei war er sich durchaus darüber im Klaren, dass sie auch ohne seinen Schutz durchkommen würde, wenn sie es musste.
Während er sprach, hielt Dominie die ganze Zeit die Augen gesenkt. Nun aber hob sie den Blick und sah Armand in die Augen. "Ich möchte, dass du frei entscheidest, ob du bleibst oder gehst. Widerwillig geleisteter Dienst kann schlimmer sein als überhaupt keiner, und du hast mir schon besser gedient, als es mir überhaupt zusteht."
Ihre Antwort reizte ihn aus unzähligen Gründen, darunter auch einige, die er nicht einzugestehen wagte. Das bisschen Hilfe, das er ihr bieten konnte, erwies sich wahrscheinlich als absolut wirkungslos gegen einen solch bösartigen Widersacher wie St. Maur. Und selbst wenn Armands Bemühungen das Blatt wenden konnten, war das noch immer nicht genug, um seine ganze Schuld zu tilgen.
Wie aber sollte er zur Abtei zurückkehren, seine Gebete verrichten, auf dem Felde arbeiten und die Hecken und Zäune in Ordnung halten, wenn sein zerbrechlicher innerer Friede vergiftet war durch das Wissen, dass er Dominie in einer Zeit verlassen hatte, in der sie am dringendsten auf ihn angewiesen war? Und obendrein bereits zum zweiten Mal?
"Mein Dienst wird vielleicht wenig ausrichten." Armand holte rasch Luft, als wolle er einen Kopfsprung in gefährliche Gewässer wagen. "Doch dass du ein Recht darauf hast, steht außer Zweifel. Hiermit biete ich ihn dir an, und zwar ohne Wenn und Aber, so wie ich es bereits im Kloster hätte tun müssen, als du mich darauf angesprochen hast."
Für einen Augenblick blieb Dominie stumm, so dass Armand schon fürchtete, sie werde sein Angebot zurückweisen. Dann aber leuchtete ein Lächeln auf ihren Zügen auf, welches auch sein Inneres zu erhellen schien.
"Ich nehme deine Hilfe an." Sie reichte ihm die Hand. "Mit Dank!"
Schon streckte Armand den Arm aus, um Dominies Finger zu umfassen. Doch im allerletzten Moment hob er plötzlich ihre Hand an seinen Mund und küsste sie.
Obwohl sie selbst es nie zugegeben hätte, wusste er doch, dass Dominie zuweilen durchaus jemanden brauchte, auf den sie sich stützen konnte. Jemanden mit starken Armen und einer robusten Natur, der sie in der Bedrängnis aufrichtete und tröstete – allerdings mit der gebotenen Zurückhaltung sowie der Fähigkeit zu erkennen, wann sie sich wieder ganz auf sich selbst verlassen wollte.
Und auch mit dem inneren Vertrauen darauf, dass er sie getrost so schwach oder so stark sein lassen konnte, wie sie es für nötig befand.
Ach, hätte er doch nicht das Recht verwirkt, dieser Jemand zu sein!
Der Rest ihres Marsches nach Wakeland erwies sich als so arm an Ereignissen, wie umgekehrt der Anfang überreich an Gefahren gewesen war. Sie umgingen die Fenns in weitem Bogen, so dass von der Geißel der Gegend samt ihrem reißenden Rudel wenig zu fürchten war. Eskortiert von einem hünenhaften, kräftig wirkenden Mann brauchte Dominie nun nicht mehr in aller Heimlichkeit
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