Süßer Zauber der Sinnlichkeit
Dominies empörter Kampfansage war das nun nicht mehr möglich.
"Ich habe ein Gelübde abgelegt!" erinnerte er sie mahnend … und ebenso sich selbst. "Und auch wenn ich das nicht getan hätte – was hat die Welt mir schon zu bieten?"
Er machte eine umfassende Armbewegung, welche auch die Große Halle einschloss, die fast genauso aussah wie die zu Wakeland. "All das gehört nun dir. Genauso wie jene halsstarrigen Vasallen da!"
"Das sind sie, in der Tat!" Dominie warf ihm einen warnenden Blick zu, den ein kluger Mann wohl richtig gedeutet hätte. "Doch erst, seitdem du ihnen den Rücken kehrtest! Willst du es etwa meiner Familie verübeln, dass sie annahm, was König Stephen uns anbot, nachdem du alles stehen und liegen gelassen hattest?"
Lag da etwa die Antwort auf seine anfängliche Frage, was denn bloß in die Leute von Harwood gefahren war? Verachteten sie ihn, weil er zu dem Eid stand, welchen er der Kaiserin Maud geschworen hatte?
"Ich will nicht bestreiten, dass es mir fast das Herz zerriss, als ich vernahm, der König habe mein Lehen an deine Familie übertragen. Ich hatte das Gefühl, die De Montfords hätten mich gewissermaßen hintergangen – so als sei eine lebenslange, innige Freundschaft nur des schnöden Gewinnes wegen gepflegt worden. Kannst du dir so etwas vorstellen?"
"Besser, als du vielleicht glaubst!" Mit jedem Wort trat Dominie näher auf ihn zu, bis sie sich schließlich dicht gegenüberstanden. "Untreue für Gewinn – das zumindest würde mir einleuchten. Hättest du unser Verlöbnis gelöst, um die Erbin eines Anwesens zu ehelichen, die eine Mitgift von Tausenden Morgen Land in die Verbindung einbringt, so hätte ich mir vorstellen können, nach den Maßstäben des Kaufmanns bewertet worden zu sein. Dann hätte ich immerhin das Gefühl gehabt, einen gewissen Wert zu besitzen, wenn auch einen zu geringen!"
"Niemals!" Allein dieser Gedanke machte Armand zornig. "Nicht einmal gegen ein fürstliches Lösegeld hätte ich dich hergegeben! Auch nicht für abertausend Morgen!"
Während er den Blick gesenkt hielt, krallten sich seine Finger in ihre Oberarme. Er verspürte den leidenschaftlichen Drang, seine Behauptung mit einem Kuss zu beweisen, aber er beherrschte sich.
"Und doch hast du mich umsonst aufgegeben!" Obwohl er damit rechnete, schüttelte Dominie seinen Griff nicht ab, sondern schaute ihn bestürzt und verbittert an. "Für ein Wort. Ein unbedachtes Versprechen!"
"Wann begreifst du es endlich?" Vergebens versuchte er, sie loszulassen. "Dieses Versprechen galt mir mehr als aller Grundbesitz oder Gold!"
Er hätte den Bruch zwischen ihm und seiner Pflegefamilie wohl leichter ertragen, hätten die De Montfords sich aus Prinzipientreue zu König Stephen bekannt – etwa dergestalt, dass dieser sich besser zum Herrscher eignete, oder dass eine Frau nicht berechtigt war, England zu regieren.
Hingegen hatte Lord Baldwin ansonsten nie sonderlich Partei für den König ergriffen. Ja, er hatte sogar häufig behauptet, er würde sich ohne viel Federlesen wieder auf Mauds Seite schlagen, falls sie jemals die Macht im Osten des Reiches ausüben würde. Wie, so hätte Armand gerne gewusst, konnte ein Mann damit leben, dass er seine Vasallentreue gleichsam dem Meistbietenden verhökerte?
"Nein!" Obwohl Dominie flüsterte, klang ihre Stimme unnachgiebig. "Ich begreife nicht, wie ein Wort, kaum dass es geäußert wurde, schon nichts mehr wert ist, oder ein Gedanke bar jeglichen Gehalts schwerer wiegen soll als greifbare Dinge – Speise und Trank, urbares Ackerland, bare Münze!"
Er konnte regelrecht körperlich spüren, wie verletzt und gekränkt sie war. Es besänftigte seinen Groll.
"Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden", mahnte er sie mit sanfter Stimme, "wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen."
Sein gut gemeintes Bibelzitat brachte sie offenbar noch ärger in Harnisch als sein Zorn zuvor. "Pfaffengewäsch!" schnaubte sie aufgebracht, bevor sie sich wütend aus seinem Griff wand und zur Treppe lief, welche hinauf zu ihrer Kemenate führte. "Vielleicht war's Glück, dass alles so gekommen ist!"
"Sage doch so etwas nicht!" Armand hätte nahezu alles dafür getan oder gegeben, wäre es ihm möglich gewesen, den Lauf der Ereignisse noch nachträglich in eine andere Richtung zu lenken.
"Warum denn eigentlich nicht?" Dominie wirbelte herum, um ihm nochmals entgegenzutreten. "Es ist ja wahr, und die Wahrheit scheint doch eines jener
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