Süßer Zauber der Sinnlichkeit
ein und seid bereit, zu lauschen und euren Beitrag zu leisten. Wir können es uns nicht leisten, viel Zeit mit Palavern zu vergeuden. Andererseits dürfen wir auch nicht planlos vorgehen."
Beipflichtendes, wenn auch mürrisches Gemurmel machte sich breit. Einige wendeten ihre Gäule, um nach Harwood zurückzureiten, offenbar derart angewidert, dass sie den Anblick der von St. Maurs Horden angerichteten Verwüstungen keinen Augenblick länger ertragen mochten.
Ein zweites Mal aber zogen sie die Zügel an, und zwar bei Armands Wink, mit welchem er um ihre Aufmerksamkeit bat. "Und noch eins, ihr tapferen Männer, können wir uns nicht leisten: unsere Zeit und unsere Kraft mit Hader und Streit untereinander zu vertun, wenn wir jedes Quäntchen und mehr dringend benötigen, um dem gemeinsamen Feind die Stirn zu bieten. Falls jemand unter euch ist, der sich meiner Führung nicht unterordnen mag, so soll er es beim morgigen Treffen offen und ehrlich verkünden. Denn seid gewarnt: Ab dann werde ich eigenmächtiges Handeln eurerseits nicht mehr dulden."
Als Armand für einen Moment verstummte, wagte nicht einer der Männer, sich zu rühren. Selbst die Pferde verhielten sich mucksmäuschenstill, als würden sie unter dem Bann seiner Autorität stehen. Auch Dominie vermochte sich diesem Zauber nicht zu entziehen.
Endlich! Das war der Armand Flambard, für den sie jedes Risiko auf sich genommen hatte, um ihn zu finden. Jener Armand Flambard aus ihren Jugendtagen, kein spröder, prüder Novize!
Sondern ein Mann. Ein Anführer. Ein wahrer Lord im besten Sinne des Wortes.
Es war richtig von ihr gewesen, ihn aus Breckland herauszulotsen, wenn auch gegen seinen Willen. In ihren verstiegenen Wunschfantasien hatte sie sich zwar ausgemalt, er könne Eudo St. Maur und dessen Gesindel eigenhändig und ganz allein den Garaus machen. Dies hier aber war besser. Dies bot eine echte Chance. Und der Erfolg war möglich!
Jetzt brauchte er den Schutzbefohlenen auf Harwood nur noch die Kunst der Verteidigung beizubringen und sie darin zu unterweisen, sich selbstbewusst und vertrauensvoll jedem Angreifer entgegenzustellen. Danach durfte er getrost und mit reinem Gewissen nach Breckland zurückkehren.
Obwohl sie sich enger in ihren Reitumhang hüllte, kroch ihr doch ein kalter Schauer den Rücken hinauf, und daran war nicht allein der Frühlingswind schuld.
Es war in der Tat schlimm genug, dass Armand Flambard die Absicht hegte, sie abermals zu verlassen. Musste er dann noch Salz in die Wunde reiben, indem er dafür sorgte, dass Dominie ihn bewunderte und wieder liebte, ehe er fortging?
"Da hast du meinen Vasallen fürwahr die heilige Furcht des Herrn eingejagt!" stellte Dominie tags darauf fest, nachdem das zweite Treffen zu Ende gegangen war. "So gehorsam und umgänglich habe ich sie ja noch nie erlebt!"
Seit der Rückkehr von ihrem vortägigen Ausritt war Dominie irgendwie bedrückt. War ihr der drastische Anschauungsunterricht über das Schicksal, das Harwood im Falle einer Niederlage gegen St. Maur drohte, derart unter die Haut gegangen? Armand hätte es wahrlich bedauert, aber er hatte sie lediglich warnen wollen. Das hatte sie nun davon, dass sie unbedingt mitreiten musste!
"Denke daran, was in den Sprüchen Salomons steht." Er versuchte, ihre trübe Stimmung aufzuheitern. "Die Furcht des Herrn ist der Anfang der Erkenntnis. Die Toren verachten Weisheit und Zucht!" Zumindest wollte er hoffen, dass dies für die Männer von Harwood galt.
Dominie wirkte nicht sonderlich belustigt. "Aha, da spricht der Benediktiner aus dir!"
"Bei dir", versetzte er scharf, "klingt das fast, als wäre es ein Verbrechen, ein frommer Mönch werden zu wollen."
"In deinem Falle ist es doch so!" Plötzlich schlug sie ihre flache Hand mit solcher Macht auf die Tischplatte, dass Armand zusammenzuckte. "Schändliche Vergeudung von Talenten! Ich habe dich seit unserer Ankunft auf Wakeland beobachtet, insbesondere gestern. Es liegt doch auf der Hand, dass du zum Anführer geboren bist! Genauso wie der Habicht zum Fliegen und der Fisch zum Schwimmen!"
Warum musste sie so etwas sagen? Er hatte es ja selbst so empfunden, wenn er Befehle erteilte und wenn er sah, wie der Plan mehr und mehr Gestalt annahm. Wie ein Vogel im Käfig, der sich endlich in die Lüfte schwingen darf, wie ein Fisch, der sich durch ein Loch im Netz schlängelt und zurückschnellt ins Meer, sein vertrautes Element.
Er hatte sich zwar gegen diese Erkenntnis zur Wehr gesetzt, doch nach
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