Süßer Zauber der Sinnlichkeit
war etwas Zerbrechliches und Kostbares in Scherben gefallen. Die Neuankömmlinge hatten ihm aufs Neue vor Augen geführt, warum jeglicher Gedanke an eine Vermählung mit Dominie eine gefährliche Torheit war.
Irgendwie, mahnte er sich nun, musste er die Willenskraft aufbringen und sich gegen ihre verführerische Beredsamkeit wappnen. Vielleicht musste er gar ihre Bemühungen im Keime ersticken, indem er sie davon überzeugte, jegliche Überlegung hinsichtlich einer Ehe von vornherein aufzugeben.
Plötzlich vernahm er hinter sich leise Schritte. "Geh und iss dein Abendbrot, Gavin!" murmelte er.
"Ein guter Rat fürwahr, Flambard!" erwiderte Dominie. "Vielleicht solltest du ihn gar selber beherzigen!"
Ein appetitliches Zwiebelaroma erinnerte Armand daran, dass es in der Tat lange her war, seit er etwas zu sich genommen hatte.
Dominie erklomm die letzten Stufen. "Ich habe einige Happen für dich beiseite geschafft", bemerkte sie, wobei sie ihm eine Holzschüssel reichte. "Hier, iss, solange es heiß ist!"
"Hab Dank!" Armand nahm einen Löffel des kräftigen Eintopfes und labte sich genüsslich am Geschmack von Kaninchen, Gemüse und Kräutern. "Heute warst du ja ausnehmend aufmerksam zu mir! Hast mir Ale aufs Feld gebracht und ein Bad bereitet, und nun servierst du mir auch noch ein Abendbrot!"
Dass Dominie seine Bedürfnisse gleichsam vorausahnte und sich um sein Wohlergehen sorgte, das nährte einen ganz eigenen Hunger tief in ihm, und dieses Empfinden verlockte ihn mit ebensolcher Macht wie seine Sehnsucht nach ihr. Vielleicht entsprach diese Sehnsucht genau der ihren, denn Dominie trat so nah an ihn heran, bis sie Seite an Seite standen und über die Brüstung blickten, Dominies Hüfte gegen Armands Schenkel geschmiegt.
"Nähmest du mich zur Gemahlin, so würde ich dir jeden Wunsch erfüllen, mein Herr und Gebieter!"
Ihre Worte, gepaart mit Dominies unmittelbarer Nähe, erregten Armand auf eine ebenso schmerzhafte Weise wie quälender Durst oder wölfischer Hunger. Dies aber war eine Gier, welche zu stillen er ihr nicht gestatten durfte.
Er trat beiseite und rückte von ihr ab. "Nicht!" Begleitet von einem erschöpften, schmerzlichen Seufzer entrang das Wort sich seiner Brust. "Bitte! Nicht jetzt!" Dabei war ihm, als flehe er einen überlegenen Gegner um Gnade an – eine Vorstellung, die ihm mitnichten gefiel. Dennoch ihm blieb keine Wahl.
"Nicht jetzt? Was ist denn diesmal falsch an Ort und Zeit?" Statt ihm nachzugehen, machte sie einen Schritt zur Seite. Viel half es nicht, war sie doch nach wie vor in Reichweite, und eine stumme, unsichtbare Kraft, stärker als Worte, rief ihn zu ihr. "Hier ist's doch ruhig!" In ihrer Stimme schwang nun ein enttäuschter, verdrießlicher Unterton. "Und abgeschieden obendrein!"
Armand schlang seine Portion Kanincheneintopf hinunter, als könne die Speise auf wundersame Weise seine erschlaffende Willenskraft stärken. Was den Wachturm von Harwood für Dominie zu einem vorteilhaften Schlachtfeld machte, gereichte ihm selber umgekehrt auf gefährliche Weise zum Nachteil. Das aber durfte er ihr nicht verraten.
Während er aß, stand sie wortlos da, ihr anmutiges, entschlossenes Profil ein Schatten im Mondlicht. Dann murmelte sie heiser, so dass ihre Stimme ihm wie eine Liebkosung über die Haut strich: "Du warst großartig heute!"
Zum Glück hatte Armand seine Portion bereits verzehrt und sogar den Löffel abgeleckt. Wäre er noch beim Essen gewesen, so hätte er sich wahrscheinlich wegen ihres Kompliments verschluckt.
"Ich tat nur, was erforderlich war. Wie du's in den vergangenen fünf Jahren sogar noch besser getan hast als ich, denn im Gegensatz zu mir warst du nicht darin geschult."
"Das war mehr als bloße Übung, Armand! Das musst du doch selbst erkannt haben! Du hast deine herausragenden Talente gezeigt!"
Er hielt die Suppenschüssel in der Linken und den Löffel in der Rechten, als wären es Schild und Schwert. "Ich will nur hoffen, dass diese Talente und unsere Vorkehrungen ausreichen werden, um die reißenden Wölfe abzuwehren. Was die Flüchtigen aus Cambridge von ihrem Leidenswege berichteten, hat meine Zuversicht arg erschüttert."
"Nun, Armand Flambard, dafür reicht die meine für uns beide! Vertrauen darauf, dass du ein hervorragender Führer bist und ein ebenso guter Gatte!"
Sag ihr die Wahrheit, mahnte Armands Gewissen flehentlich. Wenn sie erfuhr, dass er ihren Vater auf dem Gewissen hatte, würde das ihrem Gerede von Ehe und Vermählung gewiss
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