Süßer Zauber der Sinnlichkeit
Himmelsrichtungen davon!" Ein leerer Blick lag in den blauen Augen des Flüchtlings, als sehe er gar nicht den Burghof von Harwood, sondern die Flammen des brennenden Cambridge. "Ich wusste nicht, wohin ich mich sonst hätte wenden sollen."
"Es war richtig von dir, dass du zu uns nach Hause gekommen bist, Master Godwin." Dominie machte ihm ein Zeichen, sich zu erheben. "Wir schulden dir Dank, dass du uns diese traurige Botschaft so schnell überbrachtest."
Sie merkte, wie sich von hinten Armands Hand auf ihre Schulter legte. Der Neuankömmling und seine Begleiter blickten an Dominie vorbei, um Armand zu mustern, der ihrer Neugierde keine Beachtung schenkte.
Allmählich bevölkerte sich der Innenhof, da nun die Burgund Dorfbewohner hineindrängten, einige noch nass vom Schwimmen im Mühlenteich.
"Edwin, Harry, James!" Armands tiefe Stimme übertönte Getöse und Stimmengewirr. "Sattelt die Pferde und überwacht die Straßen nach Osten! Will Brewster, du rufst die Frauen und Kinder des Dorfes zusammen und bringst sie im Burghof in Sicherheit!" Sodann trug er weiteren Männern auf, den Überfall auch auf Wakeland sowie den abseits gelegenen Gehöften zu melden.
"Und ich, Armand?" Angetan mit weiter nichts als seinen Unterhosen, kam Gavin angerannt. "Was kann ich tun? Soll ich meinen Bogen holen und ostwärts an der Landstraße Posten beziehen?"
"Erst einmal holst du deine Kleider!" Dominie hatte nicht übel Lust, dem Burschen die Ohren lang zu ziehen. Bevor sie jedoch einen Schritt auf ihn zumachen konnte, hielt Armands kraftvolle Hand sie zurück.
"Gavin! Genau der Mann, den ich brauche!" Er wies auf die Burg. "Marsch, ruck, zuck hinauf auf den Wachturm! Und von dort hältst du Ausschau gen Osten! Sobald du eine Streitmacht aus östlicher Richtung heranrücken siehst, erstattest du unverzüglich Meldung!"
Gavin schaute ihn sprachlos mit offenem Mund an, und seine Augen wurden so kugelrund, dass Dominie schon beinahe befürchtete, er bekäme sie nicht wieder zu. Inzwischen war Armand bereits mit seinen Anweisungen fortgefahren, bis er plötzlich bemerkte, dass der Knabe ihn immer noch anstarrte. "Marsch!" herrschte er Gavin an. "Halt keine Maulaffen feil!"
Der Junge zuckte zusammen und wachte schlagartig aus seiner ehrfürchtigen Erstarrung auf. Und während er davonrannte, rief Armand, an die Umstehenden gerichtet: "Sobald Wachposten und Meldereiter abmarschiert und die Dörfler sicher geborgen sind, Tor schließen und verbarrikadieren!"
Die Männer gehorchten seinem Befehl nicht weniger eifrig und rasch als Gavin. Dass Armand halb nackt auftrat, focht offenbar niemanden an, trug er doch seine Autorität wie einen Harnisch. Ungeachtet der gefährlichen Lage wurde Dominie von einem tröstlichen Gefühl der Sicherheit eingehüllt, welches so stark war wie Armands Umarmung … nur um ein Vielfaches gefahrloser.
Nachdem die dringendsten Verteidigungsvorkehrungen getroffen waren, wandte Armand sich den eingetroffenen Flüchtlingen zu. "Die Leute hier müssen versorgt werden: Speise und Trank, Wunden verbinden!"
Und ehe er eine Bitte oder einen Befehl äußern konnte, meldete Dominie sich zu Wort. "Ich werde mich um sie kümmern. Und um die Dörfler auch!"
"Das habe ich erwartet!" Er bedachte sie mit einem kurzen, grimmigen Lächeln. Seine leuchtenden Augen begegneten Dominies Blick und strahlten absolutes Vertrauen in sie aus, als verleihe ihm ihre Gegenwart dieselbe Sicherheit, wie umgekehrt sein Dasein Dominie bestärkte.
Sie erinnerte sich an das, was Abt Wilfrid damals gesagt hatte – dass ein Mann und eine Frau gemeinsam Großes bewirken können, wenn sie ihre Fähigkeiten bündelten. In diesem Augenblick hatte sie das Gefühl, Berge versetzen zu können.
Vielleicht sogar einen wölfischen Galgenstrick in die Schlinge zu locken!
Armand blickte an sich hinab, als merke er jetzt erst, dass er nahezu unbekleidet dastand. "Ich muss mir zunächst etwas zum Anziehen suchen. Danach würde ich gerne mit Godwin Smith über den Überfall auf Cambridge sprechen."
Während er auf die Burg zuschritt, blieb Dominie noch eine Zeit lang stehen und schaute ihm nach. Dann holte sie tief Luft, um sich für das zu wappnen, was nun getan werden musste, dankbar dafür, dass Armand ihr die schwerste Last von der Schulter genommen hatte.
"Begebt euch in die Große Halle!" Sie gab den Neuankömmlingen einen Wink. "Ich werde euch dort versorgen."
Inzwischen waren auch die Dörfler in den Wirtschaftshof gedrängt, darunter
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