Süßer Zauber der Sinnlichkeit
Versuchung erliegen und sein Gelübde auf Gewaltverzicht brechen.
Dann ertönte ein Hornsignal – das Zeichen für die Bogenschützen von Harwood, die erste Salve von Pfeilen abzuschießen. Jetzt war keine Zeit mehr für lange Grübeleien! Einige der Pferde hinter ihm wieherten bereits erregt und stampften nervös mit den Hufen.
Armand drehte sich schwungvoll im Sattel um. "Wartet noch, bis das Horn zum zweiten Mal bläst! Gebt den Bogenschützen Gelegenheit, ganze Arbeit zu leisten!"
Alles musste zeitlich genau aufeinander abgestimmt sein. Griffen die Berittenen zu früh ins Kampfgeschehen ein, erschwerten sie nur den Bogenschützen ihr Tun. Warteten sie hingegen zu lange ab, dann konnte der Feind seinerseits zum Gegenangriff auf die lediglich leicht bewaffneten Bogenschützen übergehen.
Abermals erklang der hohe, klare Ton. Armand und seine Reiter preschten vor, doch erst, nachdem Armand vernommen hatte, wie das Hornsignal jäh abbrach. "Angriff!" schrie er, um zu verhindern, dass einige seiner Mannen sich durch das abgeschnittene Hornsignal verwirren ließen. Indem er sein Reittier mit Schenkeldruck lenkte, zog er das Schwert und führte den Angriff an, wobei er nur beten konnte, dass er nicht sämtliche Zurückhaltung fahren und seine Klinge nicht auf einen Gegner niedersausen ließ. Nicht einmal dann, wenn das eigene Leben bedroht sein sollte, denn ein Bruch des Gewaltverzichts hätte seine Seele in noch größere Gefahr gebracht.
Die nächsten Augenblicke verliefen im Grunde so wie bei jedem Gefecht, an welchem Armand bislang teilgenommen hatte: ein absolutes Durcheinander, ein jagendes Gewühl und Gewimmel aus stampfenden Hufen und Geschrei. Inmitten dieses Wirrwarrs aus schwirrenden Pfeilen, klirrenden Schwertern und sich aufbäumenden Gäulen stellte Armand zu seinem übergroßen Erstaunen fest, dass sein verrückter, gefährlicher, absurder Schwur ihm etwas gab, an dem er sich orientieren und festhalten konnte – wie eine Kerze in der Finsternis oder ein über den Abgrund gespanntes Seil.
So manchen Schwertstreich parierte er an jenem Tage, während ihm Qualm von brennendem Holz und Reet Augen und Nase verätzte. Einmal, als er schon fürchtete, er müsse einen Angreifer niederschlagen, um nicht selbst getötet zu werden, da beherrschte er sich mit knapper Not und sah im nächsten Moment, wie der Feind von einem wohlgezielten Pfeil niedergestreckt wurde. Weder St. Maurs noch seinen eigenen Männern fiel auf, dass er, obwohl im dichtesten Kampfgetümmel, niemandem ein Haar gekrümmt hatte.
Das Schlachtenglück ließ sich Zeit und dachte gar nicht daran, sich der Streitmacht von Harwood zuzuneigen. Gewiss, sie bestand aus hartgesottenen Kämpfern, die ihre Ernten und Heimstätten mit Hingabe verteidigten. Die Gesetzlosen hingegen, so Armands Eindruck, benötigten dringend Nachschub an Verpflegung, besonders jetzt, da sie die gesamte Umgebung schon geplündert und gebrandschatzt hatten. Zahlenmäßig waren sich beide Seiten in etwa gleich. Zwar hatten die Männer von Harwood sich in den vergangenen Monaten ein wenig vom Kriegshandwerk angeeignet, doch stand ihnen ein Gegner gegenüber, welcher sein Leben lang nichts als den Kampf und das Schwert kennen gelernt hatte. Außerdem waren St. Maurs Söldner bis an die Zähne bewaffnet, wohingegen die Wehr von Harwood zum Teil nur mit Hippen, Knüppeln und Heugabeln antrat.
Dennoch: Einige Vorteile konnte Armands Streitmacht durchaus ins Feld führen, insbesondere das Element der Überraschung. Für St. Maurs Halsabschneider war es eben zu lange her, dass irgendjemand etwas anderes getan hatte, als vor ihnen Fersengeld zu geben. Mittlerweile waren sie deshalb faul und fahrlässig geworden. Zudem kam Armands Kämpfern ein durchdachter und gut geübter Angriffsplan zugute.
Dennoch fochten die Gesetzlosen mit wildem Ingrimm, möglicherweise besonders erbost dadurch, dass ihre Angreifer noch die Unverschämtheit besaßen, sich ihnen zu widersetzen. Von St. Maur selbst war keine Spur zu sehen. Vielleicht fürchteten seine Anhänger etwaige schlimme Folgen für den Fall, dass sie mit leeren Händen zurückkehrten.
Was immer auch ihre Gründe sein mochten – sie hielten Stand und wichen nicht, wenngleich die Männer von Harwood allmählich die Oberhand gewannen. Sollte es ihnen gelingen, den Angriffsdruck aufrechtzuerhalten und nicht nachzulassen, dann, so Armand, musste der Sieg über kurz oder lang ihrer sein.
Gerade war er dem Streitkolben eines
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