Süßer Zauber der Sinnlichkeit
seine Sinne ihren Dienst wieder aufnahmen, jedoch noch nicht in dem Maße, dass sein Körper auch tat, was er von ihm verlangte.
Seine Wunde bereitete ihm weitaus ärgere Pein als zuvor, da Rogers Klinge ihn traf. Hätte er nicht Baldwin De Montfords Kettenhemd getragen – er hätte den mit der Rückhand ausgeführten Hieb, welcher ihn unter der linken Achselhöhle erwischte, wohl nicht überlebt. Irgendwie stärkte dieser Glaube in ihm die Überzeugung, dass die Schlacht vom Vortage nicht allein der Rettung von Harwood gegolten hatte, sondern gleichzeitig auch seiner und Dominies gemeinsamer Zukunft.
Die Schlacht vom Vortage? Wie lange habe ich denn geschlafen?
Und was geschah da mit ihm? Ein stechender Schmerz bohrte sich durch das wunde Fleisch, gefolgt von einem Aufstöhnen, das wohl, so Armand, von ihm selber stammen musste.
"Ich bin sogleich fertig", murmelte Dominie sanft. "Wache noch nicht auf, Liebster!"
Wo bin ich? Mit Mühe öffnete Armand die Augen, doch die Lider waren zu schwer für seinen erst langsam erwachenden Willen. Alles, was er zu tun und zu wissen begehrte, wirbelte ihm durch die wirre Gedankenflut gleich welken Blättern, welche der Herbstwind peitscht. Wurden seine Verwundeten auch gut versorgt? Würden sie alle überleben? Hatten St. Maurs Halunken sich in den Fenns neu formiert? Setzten sie nun wohl zum Gegenschlag an?
Wieder durchzuckte ihn ein Stich. Diesmal war er so geistesgegenwärtig, um davor zurückzuschrecken.
"So", sagte Dominie, als wüsste sie ganz genau, dass er sie hören konnte. "Jetzt ist es getan. Und wie trefflich es mir gelungen ist, falls ein Eigenlob einmal erlaubt sei! Dabei habe ich Nähen als kleines Mädchen so gehasst …"
Nähen … der Schmerz … Allmählich begriff er. Seine Gedanken wurden klarer mit jedem Moment, der verging. Abermals mühte er sich, die Augen aufzuschlagen, und diesmal schaffte er es auch.
"Ich dachte mir schon, dass du allmählich erwachst." Sanft, aber bestimmt strich Dominie ihm eine Locke aus der Stirn. "Verzeih, wenn ich dir wehtat. Die Wunde indes musste genäht werden, und ich hielt es für besser, dies zu besorgen, solang du bewusstlos warst."
Armand rang sich ein schwaches Lächeln ab und sah sich um. "Wo bin ich?"
"In meinem Bett", erwiderte sie ganz ungeniert, als sei es das Harmloseste auf der Welt. Vielleicht erinnerte sie sich daran, wie geziert er sich damals, als sie ihn aus der Abtei holte, angestellt hatte, denn sie fixierte ihn mit einem unerschrockenen Blick. "Und hier wirst du auch bleiben, bis du wieder genesen bist! Keine Widerrede!"
Eins musste Armand zugeben: Behaglicher als eine Pritsche auf dem Fußboden der Großen Halle war es allemal.
"Und du, wo schläfst du?"
Dominie zuckte die Schultern. "Ich habe genug Platz hier drinnen. Und außerdem werden wir ohnehin Mann und Weib!"
"Die üblichen sachlichen Gründe!" Wie sie so auf der Bettkante saß, konnte Armand ihr mit den Fingerknöcheln über die Schenkel streicheln, ohne sich kräftemäßig dabei zu übernehmen. "Ich bin deiner Gnade wehrlos ausgeliefert, Liebste. Ich habe in meinem Leben genug Weisheit gesammelt und weiß, wann ich mich ehrenhaft ergeben muss."
"Ach ja?" Sie hob einen Weinpokal und ein Leinentuch von einem neben dem Lager stehenden Tischchen. Nachdem sie das Tuch in den Wein getaucht hatte, betupfte sie seine Wunde. Es brannte dermaßen, dass er scharf den Atem anhielt. "Zumindest ist dies Bett bequemer als jenes, welches wir letztens teilten."
Armand dachte zurück an jene erste Nacht im Walde von Thetford. Welche Mauer aus früheren Ressentiments und widersprüchlichen Wünschen sich damals zwischen ihnen aufgetürmt hatte! Während der vergangenen Monate hatten sie diese Mauer abgetragen, Stein für trotzigen Stein, bis nichts Trennendes mehr übrig blieb.
Nichts Trennendes jedenfalls, soweit ihr bewusst war!
Dominie griff nach einer kleinen Schüssel und begann, ihm die Brust mit frischem Eiweiß einzureiben. Bei der schleimigen Masse überlief ihn eine Gänsehaut, doch im Laufe der Jahre war er des Öfteren wegen vielerlei Blessuren behandelt worden und wusste, das Eiweiß würde rasch trocknen und die Wunde verschließen.
"Kannst du dich aufsetzen?" Dominie stellte das Schüsselchen auf den Tisch zurück und griff nach einem langen Streifen gebleichten Leinens. "Das würde es mir erleichtern, dir den Verband anzulegen."
"Ich will's versuchen." Die Zähne zusammengebissen, stützte er sich auf die Ellbogen, und als er
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