Suesses Gift Der Liebe
niemanden, der sich auf dem Gebiet der Chemie des Paranormalen auch nur annähernd mit mir messen kann. Niemanden. Es bedürfte eines neuen Newton, um sich mit mir vergleichen zu können.«
»Ja, ich weiß, Hulsey. Und das ist Ihre Rettung. Glauben Sie mir, wenn es einen anderen Newton oder einen anderen Wissenschaftler mit Ihren Gaben und Talenten gäbe, hätte das Oberhaupt Ihre Beseitigung in Sekundenschnelle angeordnet.«
Entsetzt starrte Hulsey ihn an.
Norcross zog eine goldene Schnupftabakdose aus der Tasche, klappte sie auf und sicherte den Deckel mit einer anmutigen Bewegung, ehe er eine Prise des Inhalts nahm. Er inhalierte das Pulver mit einem scharfen, geübten Schnauben. Dann ließ er ein träges, böses Lächeln sehen.
»Verstehen Sie mich, Hulsey?«, fragte er ganz leise.
Die starken Energieströmungen trafen Hulsey mit der Kraft eines Schlages und erschütterten seine bereits angegriffenen Nerven. Er war nicht nur erschrocken, er war gelähmt vor Angst. Unter der Wucht von Norcross’ Gabe, schlug sein Puls so rasch und unregelmäßig, dass er in Ohnmacht zu fallen glaubte. Er rang um Atem, doch der gesamte Sauerstoff schien sich in dem Raum verflüchtigt zu haben.
Es war, als stünde er einem grässlichen Monster gegenüber,
einem Geschöpf aus einem Albtraum. Die logische Seite seiner Natur beruhigte ihn, dass er keinen Vampir und kein übernatürliches Phantom vor sich hatte. Es war nur Norcross, der sein bizarres Talent einsetzte, um dieses Gefühl sinnloser Panik zu erzeugen. Doch diese Erkenntnis konnte das Angstgefühl nicht mindern.
Nicht mehr imstande, sich auf den Beinen zu halten, ging Hulsey in die Knie und wiegte sich vor und zurück. Er vernahm ein hohes, klagendes Jammern und merkte, dass es aus seiner eigenen Kehle kam.
»Ich stellte Ihnen eine Frage, Hulsey.«
Hulsey wusste, dass er antworten musste, schaffte es aber nicht. Als er den Mund öffnete, war nur ein unverständliches Gestammel zu hören.
»J-j-aaa«, brachte er heraus.
Offenbar befriedigt von der Reaktion bedachte Norcross ihn wieder mit seinem rasiermesserscharfen Lächeln. Hulsey wunderte sich flüchtig, dass keine Fangzähne sichtbar wurden. Er spürte, dass die lähmende Angst nachließ und er wieder atmen konnte.
»Ausgezeichnet«, sagte Norcross. Er steckte die Schnupftabakdose ein. »Jetzt glaube ich, dass Sie mich sehr gut verstehen. Aufstehen, Sie Dummkopf!«
Hulsey griff nach der Kante des Arbeitstisches und zog sich hoch. Leicht war es nicht. Er durfte den Tisch nicht loslassen, um nicht ein zweites Mal zusammenzubrechen.
Norcross ging durch die Tür hinaus und schloss sie auf eine ruhige und beherrschte Weise, die ebenso nervtötend war wie die wilde raubtierhafte Erregung, die eben noch in seinen Augen geglüht hatte.
Hulsey wartete, bis sein Puls sich etwas verlangsamt hatte. Dann sank er auf einen Hocker nieder.
»Es ist gut«, sagte er laut. »Du kannst jetzt herauskommen. Er ist weg.«
Eine Tür sprang auf. Bertram betrat vorsichtig und sichtlich erschüttert den Raum.
»Norcross ist wahnsinnig«, flüsterte Bertram.
»Ja, ich weiß.« Hulsey massierte seinen schmerzenden Schädel.
»Was meinte er wohl damit, als er sagte, man würde Schritte unternehmen, um dafür zu sorgen, dass Jones den Farn nicht mit dir in Verbindung bringt?«
Hulsey blickte seinen Sohn an. Bertram war sein Spiegelbild im Alter von dreiundzwanzig Jahren und selbst ein brillantes Talent. Seine psychischen Fähigkeiten und daher auch seine Interessen waren ein wenig anders gelagert - es gab keine zwei Talente, die identisch waren -, doch ergänzten sie sich im Labor sehr gut. Bertram war der ideale wissenschaftliche Assistent. Manchmal glaubte Hulsey mit einem Anflug von väterlichem Stolz, seinem Sohn wäre es beschieden, kühne Angriffe auf die Geheimnisse des Paranormalen zu wagen.
»Ich weiß nicht, was er meinte«, sagte Hulsey. »Wichtig ist nur, dass die Schritte uns nicht berühren - wie immer sie ausfallen mögen.«
»Woher weißt du das?«
»Wäre es anders, wären wir beide jetzt tot.«
Hulsey stand matt vom Hocker auf und ging von den Ratten aufmerksam beobachtet an den Käfig zurück. Sie waren neu, Ersatz für das halbe Dutzend, das in der Woche zuvor
umgekommen war. Er griff nach dem Fläschchen und leerte den Rest des Inhalts in das Wassergefäß. Die durstigen Ratten stürzten sich darauf.
»Sind alle Geldgeber so unvernünftig?«, fragte Bertram.
»Meiner Erfahrung nach ja. Bei allen ist
Weitere Kostenlose Bücher