Suesses Gift Der Liebe
hatte. Caleb konnte mit einer Heirat nicht mehr lange warten. Ein Gentleman seines Standes hatte eine gewisse Verpflichtung seiner Familie gegenüber.
Und warum ist dieser Gedanke so bedrückend, wunderte sie sich.
»Er muss fast vierzig sein«, sagte Patricia.
»Unsinn. Mitte dreißig, würde ich meinen.«
»Ende dreißig.«
»Willst du damit sagen, dass er zu alt für eine Ehe ist? Unsinn. Mr Jones steht in der Blüte seiner Jahre.«
»Ich denke, das kommt auf den Standpunkt an«, erwiderte Patricia ganz ernsthaft.
»Du bist erst neunzehn, Patricia. Warte, bis du so alt bist wie ich. Dann wird dir ein Dreißiger ganz anders vorkommen.«
»Ich wollte damit keinesfalls sagen, dass du alt bist.« Hochrot im Gesicht drehte Patricia sich um. »Bitte, verzeih, Lucy. Du weißt, dass es keine Absicht war.«
»Natürlich nicht.« Lucinda lachte. »Sei unbesorgt. Du hast meine Gefühle nicht ernsthaft verletzt.« Sie zog die Brauen hoch. »Darf ich diesem Gespräch entnehmen, dass Mr Jones zu vorgerückt an Jahren ist, um auf deiner Kandidatenliste zu landen?«
Patricia zog die Nase kraus. »Ganz entschieden.«
»Sicher weißt du, dass in der guten Gesellschaft junge Damen deines Alters sehr oft mit Männern verheiratet werden, die ihre Väter, manchmal sogar ihre Großväter sein könnten.«
Patricia überlief ein Schaudern. »Zum Glück für mich haben Papa und Mama moderne Ansichten. Niemals würden sie mich zu einer Ehe mit einem ungeliebten Mann zwingen.« Sie faltete die Hände hinter dem Rücken und studierte ein Büschel Strauchwermut. »Wie lange kennst du Mr Jones schon?«
Lucinda wurde nun erst klar, dass sie in dem Hin und Her keine Gelegenheit gehabt hatte, Calebs Anwesenheit in ihrem Leben zu erklären. Nun überlegte sie, ob sie damit herausrücken solle, dass sie Gefahr lief, zur Verdächtigen in einem Mordfall zu werden.
Wahrscheinlich war es am besten, ihre missliche Lage zu verschweigen, zumindest im Moment. Die Wahrheit hätte Patricia nur beunruhigt und sie von ihren Heiratsplänen abgelenkt.
»Mr Jones und ich begegneten uns erst kürzlich«, sagte sie.
»Vor ein paar Wochen? In deinen Briefen hast du ihn nie erwähnt?«
»Heute ist der zweite Tag unserer Bekanntschaft. Warum fragst du?«
» Was ?« Patricia fuhr aufrichtig geschockt herum. »So kurz - und du lädst ihn schon zum Frühstück ein?«
»Nun ja, letzte Nacht schlief er nicht viel, und am Morgen hat er nichts gegessen. Vermutlich tat er mir leid.«
Patricias Augen wurden noch ein wenig größer. Dann fing sie zu kichern an. »Wirklich, liebe Kusine, du versetzt mich in Erstaunen.«
»Was ist so erheiternd?«
»Du hast ihn wohl die ganze Nacht in Trab gehalten.« Patricia zwinkerte ihr zu. »Du bist ja moderner in deiner Denkweise, als ich dachte. Weiß Mama davon? Ich glaube nicht.«
»Du missverstehst mich«, sagte Lucinda verblüfft. »Ich war nicht die Einzige, die Mr Jones letzte Nacht in Trab hielt. Er war bis zum Morgengrauen mit einem anderen Projekt beschäftigt.«
Patricias Gekicher verstummte. »Mr Jones hat sich mit jemand anderem eingelassen? Wie bringst du es nur fertig, ihn zu teilen?«
»Er ist ein Profi«, hob Lucinda hervor. »Sicher hat er im Moment mehrere Projekte laufen. Ich bin nicht in der Lage, seine Dienste voll in Anspruch zu nehmen.«
»Seine Dienste?« Patricias Stimme wurde höher. »Du bezahlst ihn?«
Lucinda runzelte die Stirn. »Ja, natürlich.«
»Ist das nicht ein wenig, hmm, ungewöhnlich?«
»Warum?«
Patricia breitete die Hände aus. »Ich nahm immer an, es sei der Mann, der bezahlt, und nicht andersrum, falls in einer solchen Liaison finanzielle Dinge eine Rolle spielen. Aber
wenn man die Sache genauer überlegt und deine modernen Ansichten über Gleichberechtigung …«
» Liaison ?« Die entsetzte Lucinda stand zum zweiten Mal an diesem Tag am Rand einer Ohnmacht. »Mr Jones und ich haben nichts in dieser Richtung. Du lieber Gott, Patricia, wie kommst du auf die Idee?«
»Lass mich überlegen«, sagte Patricia trocken. »Da wäre die kleine Tatsache, dass du in aller Herrgottsfrühe mit ihm in einem Wagen vorfährst. Ich hatte allen Grund zu der Annahme, dass ihr beide die Nacht an einem verschwiegenen Ort verbracht hattet.«
»Da irrst du dich aber.«
»Und dann die Einladung zum Frühstück. Was hätte ich denn denken sollen?«
Lucinda richtete sich auf und bedachte sie mit einem frostigen Blick. »Deine Annahme hätte nicht falscher sein können. Mr Jones
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