SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
Gesicht, obwohl ihm eigentlich ganz und gar nicht danach war.
«Das würde also bedeuten, dass ich und Natalia uns in Abendgarderobe schmeißen und dem Herrn Sidorenko ein kleines Osterei unter die Segel legen. Und was macht ihr?» Tony schaute fragend in die Runde.
«Wir können nicht viel tun, um euch zu helfen. Ich würde vorschlagen, Vince und ich warten am Hafen. Falls die Skyrider ausläuft, werden wir euch dem Ufer entlang folgen. Bereit auf Abruf, falls was schief geht. Hoffen wir mal, Sidorenko verspürt keine Lust auf eine Fahrt aufs offene Meer.» Takeda strahlte eine Sicherheit aus, welche gemessen an der Situation schon fast beängstigend abgeklärt wirkte.
Tony fuhr fort mit der Planung. «So weit so gut! Wer von euch kennt sich mit Motorrädern aus? Ich kann so ein Ding nicht fahren.»
Natalia schüttelte den Kopf, Takeda verneinte ebenfalls. Vince nickte ruhig und lächelte.
«Prima! Also werden Vince und ich morgen früh das Geschenk abholen. Dann sehen wir weiter. Wer hat Lust auf frischen Fisch? Ich habe heute ein nettes kleines Lokal am Hafen entdeckt. Lasst uns hinfahren, uns was Gutes tun! Und bei der Gelegenheit die Umgebung ein bisschen genauer unter die Lupe nehmen.
4
Vince zog mit seinen Fingern den Handhebel am Lenker auf der linken Seite nach hinten, und legte seinen rechten Fuß auf ein Pedal neben dem Motor. Das linke Bein gestreckt, den Schuh am Boden. Tony hatte nicht mehr Ahnung von Motorrädern, als, dass «rechts aussen am Lenker drehen» gleichbedeutend war mit «Gas geben» .
Vince betätigte einen kleinen roten Schalter mit seinem rechten Daumen und drehte das Gas auf. Das schwarze Monstrum schrie auf. Die Drehzahl sackte wieder ab; das Kreischen wich einem bösen Bollern.
Kranyek hätte uns ja auch eine bequeme Harley hinstellen können. Oder so ein Ding mit Seitenwagen. Aber nein! Eine nachtschwarze Rennmaschine. Mir bleibt aber auch gar nichts erspart.
Tony setzte sich den Helm auf und stieg auf das mikroskopisch kleine Sitzchen hinter Vince. In der rechten Hand das kleine Navigationsgerät. Es gab keine Halterung auf dem Tank für das Navi, und die Armaturen waren sehr platzsparend konzipiert. Keine Chance, das Gerät irgendwo zu befestigen.
Vielleicht ganz gut so. Ich gebe die Fahranweisungen, und Vince kann sich voll auf die Straße konzentrieren.
Vince schien sich regelrecht auf den Ausflug zu freuen. «Yeah! Ninja!» hatte er voller Freude ausgerufen, als sie gerade eben vor den Eingang der Residence getreten waren. Es war kurz nach Sonnenaufgang.
Vince war sein Grinsen die ganze Zeit über nicht mehr losgeworden, und Tony hätte schwören können, dass es sich nach wie vor unter dem Helm seines Piloten erstreckte.
Tony hatte ein mulmiges Gefühl im Bauch. Der breite Hinterreifen der Ninja erinnerte ihn an Fernsehbilder von Motoradrennen. Nur fuhren die Fahrer da selten mit Passagier. Die silbernen Kawasaki-Schriftzüge zu beiden Seiten des Tankes hatten auf ihn eine einschüchternde Wirkung. Er saß leicht erhöht hinter seinem Fahrer und mochte sich nicht ausmalen, welcher Höllenritt ihm bevorstand.
«Einfach vorsichtig, ja?», rief er leicht zittrig durch die schmale Öffnung seines Visiers.
Vince packte Tonys freie linke Hand, und presste sie sich auf die Brust.
Dann ging alles sehr schnell.
Tony spürte ein leichtes Tätscheln an seinem Knie. Der Motor heulte auf, und Tony wurde nach vorne gerissen. Ein Schwenker, ein Rumpler.
Der Gehsteig.
Ein Gefühl wie beim Start eines Jets.
Abflug.
Häuserzeilen und Einfahrten flogen an Tonys Augen vorbei. Er spürte jede Unebenheit der Straße in seinem Kreuz. In der ersten Kurve war er überzeugt davon, dass sie von der Fahrbahn abkommen würden.
Nichts dergleichen geschah.
Vince lenkte das Geschoss mit Präzision und Feingefühl durch die Altstadt von Cannes und in Richtung Autobahn.
Nach zwei Kilometern hatte sich Tonys Angsthaserei in schieres Vergnügen verwandelt. Es fühlte sich fantastisch an, von schwerem Dröhnen und knackigem Schaltgeräusch begleitet, die Küste entlang zu brettern. Tony bemühte sich, die Richtungsangaben so klar wie möglich im Motorengedonner der Rennmaschine an Vince weiterzugeben.
Das Ziel der Reise lag in einem Außenbezirk von Nizza. Nach einer grenzwertigen Geschwindigkeitsjagd auf der Autobahn lenkte Vince die Maschine ruhig und gemächlich durch die Straßen von Nizza.
Einen halben Kilometer vor dem Zielort wurde
Weitere Kostenlose Bücher