SUMMER DAWN (Sommerdämmerung) (German Edition)
Rascheln, gefolgt von einem Aufprall durchschnitt mit einem Mal die Luft vor ihm. Eine Staubwolke flog ihm entgegen. Tonys Knie gaben nach vor Schreck. Er wand sich ab, riss die Arme hoch und hielt sich die Hände schützend vor den Kopf.
Ich krieg ’nen Herzinfarkt. Oh Gott! Was mach ich hier …?
Stille.
Tony erholte sich allmählich wieder von seinem Schock. Vor ihm auf der hellen Stelle, welche offenbar wirklich das untere Ende eines Schachtes war, lag ein schwarzer Rucksack. Jemand musste ihn gerade eben hinuntergeworfen haben.
Tony packte den Rucksack, legte die Träger um seine Schultern und rannte den Weg zurück zur Treppe. Hinaus an die Luft. An die Sonne.
Er schaute sich hastig um, als er wieder an die Oberfläche trat. Es war niemand zu sehen oder zu hören.
Nur wenige Augenblicke später heulte der Motor der Ninja auf. Die schwarze Maschine beschleunigte und jagte davon. Zurück durch die Straßen von Nizza, auf die Autobahn und weiter nach Westen.
5
Es klopfte an der Tür.
«Herein!»
Tony wandte sich dem Eingang zu seinem Apartment zu. Im Eingang stand Natalia. Sie trug ein edles silbernes Cocktailkleid. Kurz geschnitten, aber nicht zu kurz. Dazu weiße High Heels. Die Haare dunkelbraun getönt.
Hübsch!
«Sie sehen gut aus, Herr Broker.» Sie lachte und betrat den Raum.
«Danke, Frau Einbrecherin in Staatsdiensten. Die Freude ist ganz meinerseits. Sie sehen umwerfend aus.»
Tony trug seinen feinsten Anzug, er wollte sich an der Versammlung von Superreichen und Syndikatsgangstern keine Blöße geben.
«Mr. Casey, haben Sie sich schon zurechtgelegt, für wen Sie sich ausgeben wollen? Ein Finanzspezialist wäre sicherlich passend. Da kennst du dich aus, es ist nicht mal gelogen, und es wird dir leicht fallen, den Berater zu mimen.»
«Genau. Klingt einleuchtend. Abgesehen davon ist es gut möglich, dass an solchen Veranstaltungen der eine oder andere Private Banker eingeladen ist. Und du bist meine bezaubernde stille Begleitung.»
«Jep. Ich werde mich an Bord freier bewegen können als du. Eine leicht angetrunkene Frau auf der Suche nach der Toilette passt immer. Denke es macht Sinn, dass du dich auch eher aus dem Pulk heraushältst.»
«Eine leicht angetrunkene schöne Betrügerin meinst du.» Tony lachte. Natalia auch. Es war ein schöner Moment.
«Okay, lass uns gehen! Wir haben genug von der Speziallieferung dabei. Zwei Säckchen à etwa fünf Gramm habe ich bei mir. Hast du den Rest?»
Natalia öffnete ihre längliche Designerhandtasche, hob ihr Mobiltelefon an und machte den Blick frei auf die restlichen rund 20 Gramm in Beutelchen. Sie schaute darauf: «Das hat sich Kranyek ganz schön was kosten lassen. Das Zeug, auch wenn es mit irgend ner Schweinerei durchmischt ist, hat locker einen Schwarzmarktwert von 6’000 Dollar.»
«Ich glaube nicht, dass es Kranyek an Geld fehlt. Es erstaunt mich auch nicht, dass er uns mit diesem Himmelfahrtskommando beauftragt. Er hat nichts zu verlieren. Nichts verbindet uns mit ihm, er weiß genau, dass wir ihn unter keinen Umständen verpfeiffen werden. Sonst ist’s vorbei mit Weiterkommen in Sachen Heaven’s Gate . Zudem würden wir’s wohl eh nicht überleben, wenn was schief geht. Sidorenko hat ganz bestimmt eine ganze Meute Bluthunde mit an Bord.» Tony fühlte sich unbehaglich.
«Mach dir nicht zu viele Gedanken! Das wird schon klappen. Da wir nicht wissen, wie es genau an Bord aussieht, müssen wir eh improvisieren.» Natalia fasste Tony an der Schulter und strich ihm über das Gesicht.
«Komm, lass uns gehen! Wir wollen nicht zu spät kommen.»
6
Takeda und Vince verabschiedeten sich von Tony und Natalia in einer Gasse nahe des Yachthafens. Die beiden Männer würden der Yacht mit dem Mietwagen entlang der Küste folgen, so gut es ging. Das Notfallszenario sah vor, dass Tony und Natalia schwimmend von der Yacht flüchten sollten. Beide hatten ihre Mobiltelefone in Plastikfolie eingewickelt, damit sie im Falle einer Flucht im Wasser heil blieben.
Es war ein lauer Frühsommerabend, perfekt für eine kleine Rundfahrt auf dem Meer. Dies konnte Tony allerdings nicht darüber hinwegtrösten, dass er sich vor Aufregung kaum zu rühren wagte. Sein Gang war hölzern. Ich glaub ich brauch ’nen Drink.
Tony und Natalia gingen die Gasse hinunter zum Yachthafen. Es war leicht zu erkennen, welches Schiff dem Ukrainer gehörte. Es war die prachtvollste Yacht im ganzen Hafen. Sie erstrahlte in glänzendem Weiß und
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