Summer Sisters
Was hast du?«
»Meine Mutter ist... sie wacht nicht mehr auf. Ich weiß nicht, was ich machen soll!«
»Oh nein! Hast du schon bei eurem Hausarzt angerufen?«
»Nein, ich hab es bei Jo versucht. Weil ihr Vater doch … aber...« Sie rang nach Luft. »Soll ich den Notarzt rufen?«
»Atmet sie?«
»Ich glaub schon.«
»Aber sie ist bewusstlos?«
»Ja.«
»Ruf den Notarzt«, sagte Ama.
»Und wenn sie dann sauer auf mich ist?«
»Wie denn? Sie ist doch bewusstlos.«
»Stimmt.«
»Ich komm zu dir, okay?«
»Ja.«
»Ruf den Notarzt an.«
»Mach ich.«
»Polly, du musst auflegen, damit du den Notarzt anrufen kannst.«
Polly legte auf, tippte 911 ein, nannte ihre Adresse und legte wieder auf. Sie setzte sich zu Füßen ihrer Mutter auf den Boden und wartete.
Polly, Ama und Jo saßen im Wartebereich des Krankenhauses. Amas Vater war gerade in der Cafeteria, um ihnen etwas zu trinken zu holen, Jos Vater war zusammen mit der Notärztin im Untersuchungsraum. Er hatte heute Bereitschaftsdienst, deshalb war er sofort gekommen, nachdem Jo ihn erreicht hatte.
Nachdem er Dia kurz untersucht hatte, war er einmal kurz zu ihnen rausgekommen und hatte Polly gesagt, dass ihre Mutter gesund wäre und wahrscheinlich nachher schon nach Hause dürfte. Er hatte ihr nicht genau gesagt, was mit ihr los war, aber Polly hatte eine ziemlich exakte Vorstellung davon.
Zwei Stunden später erschien ihnen die Nacht nicht mehr so bedrohlich, obwohl das riesengroße rote Kreuz von der Ambulanz durch das Fenster leuchtete.
»Ihr braucht nicht zu bleiben«, sagte Polly irgendwann zu Jo und Ama, aber die beiden wollten sie auf keinen Fall allein lassen.
Mr Botsio ging, um das Auto umzuparken, und brachte ihnen auf dem Rückweg drei Tüten Chips mit. Jo und Ama redeten Polly zu, dass sie etwas essen sollte.
»Du bist so dünn«, sagte Jo. »Du siehst aus, als hättest du die ganzen Sommerferien über gehungert.« Ihr Blick war besorgt.
Polly sah an sich herunter. In Anwesenheit von Jo und Ama war sie auf einmal gar nicht mehr so stolz darauf, dass sie so viel abgenommen hatte.
Sie fühlte sich mickrig.
Jo und Ama waren während des Sommers gewachsen, Jo war größer und Ama kräftiger geworden. Plötzlich hatte Polly Angst, sie könnte nicht mehr mithalten, als wäre sie an irgendeiner Kreuzung falsch abgebogen, während die anderen beiden geradeaus weitergegangen waren. Aber sie wollte auf keinen Fall zurückgelassen werden. Sie wollte mit den beiden weitergehen.
Während sie warteten, lieh Jo Polly ihren iPod und Ama
malte ihr Buchstaben und Symbole auf den Rücken, wie sie es immer gemacht hatten, wenn sie beieinander übernachtet hatten. Aber diesmal musste Polly nicht erraten, was Ama auf ihren Rücken schrieb oder malte.
Polly spürte, wie ihre Anspannung allmählich nachließ. Es war fast so wie früher, wenn sie mit Ama und Jo zusammen gewesen war, aber gleichzeitig hatte sie das Gefühl, als würde sie nach einer langen Reise zu den beiden zurückkehren, auch wenn sie als Einzige in diesem Sommer zu Hause geblieben war. Sie war nicht mehr dieselbe wie vor den Ferien und auch Ama und Jo hatten sich verändert.
»Darf ich dich mal was fragen, Ama?« Polly streckte die Füße bis zu dem Stuhl vor ihr aus.
»Ja?«
»Warum hast du eigentlich immer noch diese klobigen Wanderstiefel an?«
Endlich kam Dr. Napoli mit Frau Dr. Marks, der etwa dreißigjährigen Notärztin mit den blassen Sommersprossen und dunkelroten Haaren, aus dem Untersuchungsraum. Er versicherte Polly noch einmal, dass alles in Ordnung sei, und nahm sie kurz in die Arme, dann ging er wieder nach oben auf seine Station.
Die Notärztin setzte sich neben Polly in einen der Plastiksessel. »Körperlich geht es deiner Mutter bald wieder gut.«
Polly nickte.
Dr. Marks warf Jo und Ama, die auf den beiden Stühlen links von Polly saßen, einen kurzen Blick zu und fragte Polly dann: »Können wir uns kurz unterhalten?«
»Klar.«
»Sind das deine Freundinnen?«
Polly nickte, genau wie Jo und Ama.
»Wir können auch gehen, wenn dir das lieber ist«, bot Ama an.
»Nein, ich möchte, dass sie bleiben«, sagte Polly.
Dr. Marks schob die Ärmel ihres grünen Arztkittels hoch.
»Deine Mutter ist ohnmächtig geworden, weil sie zu viel getrunken hatte. Ist das schon vorher einmal passiert?«
»Bis jetzt konnte ich sie immer aufwecken.«
Dr. Marks nickte. »Du und deine Mutter - ihr wohnt allein?«
Polly nickte.
»Weiß dein Vater... Bescheid?«
Polly
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