Summer Westin: Todesruf (German Edition)
junges Mädchen im Frühlingskleid mit blonden Zöpfen. Als schlanke Jugendliche in Schlaghosen und rückenfreiem Oberteil. Als Highschool-Absolventin in Universitätstracht.
»Das ist mein Lieblingsbild.« Chase deutete auf ein Foto – sie auf einer Weide mit hohem Gras, die Sonne schien ihr durch die blonde Mähne, während sie sich vorbeugte, um dem vorgestreckten Maul eines Pintowallachs einen Schmatz aufzudrücken. Das Pferd hatte sie von ihren Großeltern zum zehnten Geburtstag geschenkt bekommen, ein paar Monate nach dem Tod ihrer Mutter.
»Comanche.« Sam strich sanft über das Bild. Auch nach all den Jahren wurde ihr beim Anblick des Wallachs immer noch ganz anders. Sie hatte dieses alte, leicht reizbare rötlich-braune Pferd über alles geliebt und sich unendlich schuldig gefühlt, als sie dann aufs College ging und das Tier einem Mädchen aus der Nachbarschaft überlassen musste.
Obwohl Chase äußerlich ruhig wirkte, strahlte er doch unverkennbar eine innere Anspannung aus. Sie konnte geradezu spüren, wie er vibrierte. »Warum bist du wirklich hier, Mr FBI?«
»Deinetwegen, querida .« Er strich ihr über die Wange. »Ich muss dir unbedingt was sagen.«
Zola linste zur Tür herein. »Essen steht auf dem Tisch.«
»Später«, flüsterte Chase, bevor er sich umdrehte. »Ein wirklich hübsches Zimmer, Zola.«
»Ich glaube es einfach nicht«, sagte Sam. »Einige der Fotos habe ich noch nie gesehen.«
»Dein Vater hatte die Bilder alle in einer Schreibtischschublade verstaut. Ich habe mir gedacht, es ist langsam an der Zeit, sie zu rahmen, ehe man außer seinen Fingerabdrücken gar nichts mehr erkennen kann. Jetzt komm, das Essen wird sonst kalt.«
Den ganzen Weg zum Tisch zermarterte sich Sam das Gehirn, wie sie Chase den anderen vorstellen sollte. Was würden die Kollegen ihres Vaters und ihre alten Mitschülerinnen von ihrem Liebsten halten? Schließlich sagte sie einfach: »Darf ich vorstellen: Chase Perez.«
Sie hätte sich gar keine Sorgen machen müssen, weil Chase, wie üblich, sofort alles im Griff hatte. Er schmierte den Frauen Honig ums Maul, lobte ihre Kochkünste und beantwortete alle Fragen zum FBI.
Einige der Männer wechselten missbilligende Blicke. Einer fragte, ob Perez ein mexikanischer Name sei. Als Antwort erzählte Chase die Geschichte seines Großvaters, der in der Sierra Madre im Norden Mexikos als Holzfäller gearbeitet hatte und dann auf der Suche nach einem neuen Job nach Idaho ausgewandert war. Die Frauen schienen ausnahmslos schwer beeindruckt, und wenn Stephanie und Cathy gelegentlich den Blick von Chase losreißen konnten, schauten sie kurz neidisch zu Sam. Für die war das ein ganz neues Gefühl: Ihre Klassenkameradinnen waren eifersüchtig auf sie!
Für den Klatsch nachher im Café war also gesorgt, aber wenn die frommen Damen ihn akzeptierten, würde Special Agent Starchaser Perez insgesamt willkommen sein. Allerdings wurde Sam den Verdacht nicht los, dass man ihn weniger als normalen Mann als vielmehr als exotische Unterhaltung betrachtete.
Nach einer Stunde zeigte Chase tatsächlich erste Anzeichen eines Entertainers, der sehnsüchtig auf das Ende seiner Nummer wartete. Er hatte zwei Gläser Wasser getrunken und immer wieder nach Sams Hand gegriffen. Die kleine Madison, die ihm gegenüber saß, fragte, wo er seine Waffe habe.
»Das ist geheim«, antwortete er. »Oder möchtest du, dass ich hier jemanden verhafte?«
Das Kind kicherte, und Chase sagte: »Aber jetzt genug von mir. Wir wollen doch die bevorstehende Hochzeit von Mark Westin und Zola McAfee feiern. Ich habe sie gerade erst kennengelernt, aber die meisten von Ihnen sind schon seit Jahren mit ihnen befreundet. Deshalb würde ich jetzt gern ein paar Geschichten über die beiden hören.«
Gut gemacht, dachte Sam und sagte: »Gehen wir reihum. Stephanie? Machst du den Anfang?«
Stephanie lief schlagartig rot an. Es war ihr peinlich, dass sie nicht wusste, was sie erzählen sollte. Sams Meinung nach war das zwar keine angemessene Strafe für jemanden, der ein Opossum erschlagen hatte, aber im Moment fiel ihr nichts Besseres ein.
»Dad, Zola. Chase und ich fahren noch ein bisschen durch die Gegend.« Sam stand auf der Veranda und hielt Chases Hand.
»Jetzt noch?« Ihr Vater blickte zu Zola, die neben ihm auf der Hollywoodschaukel saß. »Es ist fast zehn Uhr.«
»Summer und ich leiden unter dem Jetlag«, sagte Chase. »Es ist so ein schöner Abend, und Sie beide haben sicher noch allerhand zu
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