Summer Westin: Todesruf (German Edition)
mit dem Zeigefinger auf sie. Eine unmissverständliche Botschaft. Vielleicht war es doch gut, dass heute ihr letzter Tag hier in der Gegend war. Die eingesperrten Tiere hielten sich wieder im Wald auf, wo sie hoffentlich auch blieben und sich von der Zivilisation fernhielten. Sie fuhr weiter zum Rialto Beach, um ihre Nerven zu besänftigen.
Nach einem einstündigen Spaziergang am Strand entlang fühlte sie sich entspannt genug, um sich von den Leuten in der Zentrale der Western Division zu verabschieden. Arnie nutzte die letzte Umarmung natürlich dazu aus, ihr rasch einen schmatzenden Kuss auf die Lippen zu drücken. Sie packte ihn am Ohr und verdrehte es, bis er aufjaulte, sehr zur Freude der Übrigen.
Von dort machte sie sich auf zum Hurricane Ridge, um das Panorama vom höchsten Berg des Olympic Parks aus zu bewundern. Sie hatte freie Sicht bis Vancouver Island im Norden und zu den endlosen Bergen und bewaldeten Tälern im Süden. Mist, sie wollte nicht fort. Wie gern würde sie an diesem spektakulären Ort Wurzeln schlagen.
Aber irgendwann ließ es sich nicht länger hinauszögern. Sie fuhr den Berg hinunter, dem Abschlussgespräch mit Peter Hoyle entgegen.
»Ihr Managementplan gefällt mir. Gut gemacht«, lobte Hoyle sie. Sam hörte ein wenig Widerwillen heraus. »Und danke, dass Sie sich um Ersatz für Blackstock gekümmert haben.«
Sam dankte ihm für seine Vorschläge für ihre Rede und wartete auf eine Andeutung über eine mögliche Weiterbeschäftigung. Vergebens. Hoyle nahm ihr den NPS-Ausweis und den Zündschlüssel für den Pick-up ab und komplimentierte sie dann zur Tür hinaus.
»Auf ewig die Brautjungfer«, grummelte sie vor sich hin, während sie über den Parkplatz zu ihrem alten Civic stiefelte. Offenbar war es ihr Schicksal, verlockende Einblicke in interessante Jobs zu bekommen, nur um dann doch wieder auf die Straße gesetzt zu werden.
Zumindest hatte sie die Bärenwilderer erwischt. Garrett Ford war zwar gegen Auflagen auf freiem Fuß, hatte aber eine saftige Kaution hinterlegen müssen. Seinen Gerichtstermin in drei Wochen hatte sie in ihrem Kalender rot eingekringelt. Mike Martinson hatte auch reichlich Ärger am Hals, aber er war noch Jugendlicher. Falls er einen milden Richter erwischte, würde er seine Strafe nächstes Jahr beim Wegetrupp abarbeiten.
Sie ging wirklich ungern hier fort, solange so viele Fragen noch offen waren: Lisas Tod, das verschwundene C4, Lilis Verstrickung in eine Extremistengruppe. Chase hatte ihr versichert, die polizeilichen Ermittlungen seien in all diesen Punkten in vollem Gang. Aber sie hatte ihn und Joe im Verdacht, dass sie ihr nicht alles erzählten. Allerdings ging sie das nun auch nichts mehr an. Sie war raus aus dem Geschäft. Jetzt musste sie ihre Rede ausarbeiten und nächste Woche irgendwie die Hochzeit ihres Vaters hinter sich bringen.
Ernest fand es schwer zu glauben, dass Tom Blackstock zum aktiven Dienst eingezogen worden war. Der hatte doch schon graue Haare. Was sollte das? Man brauchte ihn sich doch bloß mal anzuschauen. Blackstock war 51 Jahre alt. Trotzdem stand er nun hier in Uniform und behauptete, seine Reserveeinheit werde morgen nach Afghanistan abtransportiert.
»Einer der Sommer-Ranger überwacht täglich eure Arbeit, Leute, aber Ernest hier ist euer neuer queso grande «, sagte Blackstock zu den versammelten Jugendlichen des Wegetrupps. Er boxte Ernest auf den Arm, um zu zeigen, dass sie beide richtige Kerle waren.
Ernest boxte ihn ebenfalls, und zwar so fest, dass Tom ins Taumeln geriet. Die Jugendlichen lachten. Sie schienen nicht übel zu sein. Ein bisschen schwierig, aber im Grunde genommen gut zu haben. Ihm gefielen Mayas ruhige Stärke und Bens Scherze. Tony führte sich auf wie ein knallharter Bursche, aber dahinter verbarg er vermutlich nur irgendwelchen Schmerz. Ernests Auffassung zufolge musste ihm jemand schreckliche Dinge angetan haben, dass er mit 15 Jahren eine alte Frau mit dem Messer angegriffen hatte.
Nachdem die Jugendlichen am Abend von der Arbeit zurückgekehrt waren, hatten sie gemeinsam Allies mit Käse überbackene Makkaroni gemacht. Dazu gab es Salat und Brot. Die Jungs würden wahrscheinlich jeder einen halben Laib allein verdrücken. Anschließend wollten sie nach hinten gehen, ein Lagerfeuer machen und Marshmallows rösten oder, falls es regnen sollte, drinnen kleine Schokokuchen backen. Aber egal, ob draußen oder drinnen, er würde mit ihnen sprechen. Jeden Abend über ein anderes Thema, und
Weitere Kostenlose Bücher