Summer Westin: Todesruf (German Edition)
Jugendlichen setzten sich im Kreis um Sam herum und musterten sie wachsam aus den Augenwinkeln, als könnte es Ärger geben, wenn sie jemand direkt ansah. Keiner schien älter als 20 zu sein. Schweißgeruch hing schwer in der Luft. Sam war froh, ihr Mittagessen im Pick-up gelassen zu haben, der drei Meilen bergab stand.
Blackstock nahm seinen Schutzhelm ab und setzte sich Sam gegenüber auf einen flachen Stein, sodass sich ihre Knie fast berührten. Er zog ein zerdrücktes Sandwich und eine Thermoskanne aus seinem ausgefransten Tourenrucksack. »Wie geht es Lisa?«
»Sie hatte heute Morgen fürchterliche Kopfschmerzen. Und die Brandwunden im Gesicht und am Körper sind ziemlich schlimm.«
»Weiß man schon, was passiert ist?«
Sam schüttelte den Kopf. »Das ist noch unklar. Deshalb wollte ich ja mit Ihnen allen reden.«
Die Jugendlichen schienen sich nicht wohl in ihrer Haut zu fühlen. Nervös wanderten ihre Blicke hin und her, während sie vor sich hinkauten. Die meisten von ihnen hatten bereits eine Vorstrafe und nun vermutlich Angst, man könnte ihnen die Schuld in die Schuhe schieben, selbst wenn sie in letzter Zeit nichts Unrechtes getan hatten.
Sam versuchte, sie ein wenig zu beruhigen. »Lisa macht einen verwirrten Eindruck, und wir wissen nicht, ob sie im Moment klar denken kann. Ich muss wissen, wie sie war, was Sie von ihr gehalten haben.«
Sie bemerkte, dass mehrere der Jugendlichen den Blick auf einen Jungen mit magerem Gesicht richteten.
»Lisa war eine gute Arbeiterin, konnte immer mithalten«, machte Black den Anfang. Die Gruppe nickte, ohne das Kauen zu unterbrechen.
»Sind Sie alle gut mit ihr ausgekommen?«
Einige der Jugendlichen sahen sich an, und wieder richteten mehrere den Blick auf denselben Jungen wie vorher. Niemand sprach.
Sam lächelte den Jungen an. »Wie heißen Sie?«
Er blickte sie unter seinem Schutzhelm hervor an. Als er den Kopf hob, wurden graue Augen und dichte Brauen, ein sonnenverbranntes Gesicht und eine dünne Nase sichtbar. »Rosen. Ben Rosen.« Der Junge brauchte eine Rasur: bestimmt zwei Tage alte Bartstoppeln bedeckten seine schmalen Wangen und sein Kinn. An einem Ohrläppchen hing ein silberner Totenkopfring.
»Wieso schauen alle Sie an?«
Ben grinste und entblößte dabei einen abgebrochenen Schneidezahn. »Lisa mochte mich nicht sonderlich.«
»Wieso nicht?«
Er zuckte mit den Schultern und starrte auf sein Sandwich, als müsse er dringend herausfinden, mit was es belegt war.
Ein Junge mit einem spärlichen Schnurrbart und Pferdeschwanz meldete sich zu Wort. »Ben hat sie dauernd angemacht.«
Ben deutete mit dem Sandwich auf den Ankläger. »Nicht mehr als andere Frauen auch.«
»Das kann ich bestätigen«, sagte das Mädchen. »Mich macht er auch dauernd an.« Sie hatte ihren Schutzhelm abgenommen. Ihr rotbraunes Haar war sehr kurz, fast schon ein Bürstenschnitt. Aber trotz der Haare und der Unisex-Arbeitskleidung hatte sie eine intensive erotische Ausstrahlung. Im Ausschnitt ihres T-Shirts war der obere Teil einer Tätowierung zu sehen. Sie deutete mit dem Daumen auf einen blonden Jungen, der hinter ihr saß. »Jason macht mich auch immer an.«
»Lisa ebenfalls?«
Der blonde Junge starrte sie aufsässig an. »Klar doch.«
Da läuft irgendwas, dachte Sam. »Kam Lisa gut mit dir klar, Jason?«
»Sie mochte mich ganz gern«, gab er zurück.
Dem Blick nach zu urteilen, den Ben Jason zuwarf, schien Jasons letzte Aussage wohl zu stimmen.
»Maya! Jason!« Blackstock saß wie versteinert da. Ganz offensichtlich war er entsetzt über die Enthüllungen seines Trupps. »Ihr könnt doch nicht …«
Sam unterbrach seine unvermeidliche Ansprache über politisch korrektes Benehmen. »Schon okay. Ich möchte die Wahrheit über Lisa hören.«
Sie fragte die Jugendlichen nach Freitagabend. Jason sagte, Lisa sei nach Arbeitsschluss in ihrem alten Schrotthaufen weggefahren.
»Wissen Sie, wohin sie wollte?«
Alle schüttelten den Kopf.
»Was wissen Sie über ihre Familie oder ihre Freunde von zu Hause?«
»Sie redet nicht«, erwiderte Ben.
»Nicht mal mit mir«, fügte Maya hinzu. »Dabei sind wir zusammen in einem Zimmer.«
Jason schnaubte. »Sie glaubt, sie ist was Besseres als wir.«
»Leute!« Blackstock konnte sich nicht zurückhalten.
»Sie hat doch gesagt, sie will die Wahrheit hören«, widersprach der mit dem Pferdeschwanz.
»Lisa fühlt sich als was Besseres, nur weil sie noch nie Schwierigkeiten mit der Polizei hatte«, sagte Maya. »Und
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