Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
hinter ihr.
Die Raubkatze schlug mit dem Schwanz und starrte sie an. Sam konnte nicht mehr atmen. Ihre Lungen brannten wie Feuer. Gebannt starrte sie auf die schwarz-weiße Zeichnung am Maul. So wunderschön und so gefährlich.
Dann knurrte der Berglöwe und zeigte messerscharfe Zähne. Der tiefe Ton hallte von den Wänden wider, als würde hinter ihnen noch ein zweites Raubtier stehen. Sams Kopfhaut prickelte. Vom Nacken bis zu den Füßen überlief sie eine Gänsehaut, als hätte ein eiskalter Luftzug sie gerade erwischt.
Das riss sie aus dem katatonen Zustand, sie atmete tief ein; die warme Luft schmeckte nach Aas. »Ganz langsam zurückgehen«, murmelte sie. »Lassen Sie ihn nicht aus den Augen. Und drehen Sie ihm keinesfalls den Rücken zu, was auch passiert.«
Mit vorsichtigen Schritten zogen sie sich über den unebenen Grund zurück. Die Raubkatze knurrte noch einmal und sprang dann herunter. Im Augenwinkel nahm Sam wahr, dass Perez nach der Pistole langte. Der Puma warf ihnen noch einen letzten Blick zu, dann jagte er mit gestrecktem Schwanz durch die Schlucht davon, die Pfoten glitten lautlos über den harten Fels.
»Wow.« Perez nahm die Pistole runter.
»Wow, allerdings«, stimmte Sam zu. »Das war knapp.«
»Wildnis Westin hatte doch nicht etwa Angst?«
Sam wischte sich mit zitternder Hand eine Fliege von der Schläfe. »Nur ein Dummkopf hätte keine Angst. Pumas sind große Raubtiere, und wir sind in sein Revier eingedrungen, haben vor seiner Beute gestanden. Das Tier wiegt über fünfzig Kilo, und er ist trotz seiner Jugend für den Nahkampf weit besser ausgestattet als wir.«
»Er? Sind Sie ihm schon einmal begegnet?«
Sie nickte. »Wenn ich mich nicht sehr irre, war das Apollo.«
»Apollo?«
Sie winkte ab. »Wir haben ihnen Namen gegeben. Apollo ist fast zwei Jahre alt und steckt gerade sein eigenes Revier ab. Seine Mutter Leto und seine Schwester Artemis können auch nicht weit sein.«
Schnell sah Perez zu den Felswänden hoch.
Sam verschränkte die Arme vor der Brust und atmete tief ein. »Sie müssen sich keine Sorgen mehr machen, Apollo ist ja fort, aber wir sollten nicht zu lange bei dem Kadaver herumstehen. Für Pumas sind drei Dinge wichtig: das Revier, die Beute und der Selbstschutz. Normalerweise muss man nur aufrecht stehenbleiben und sich langsam zurückziehen. Pumas töten nicht aus Rache oder aus reinem Spaß. Ganz im Gegensatz zu Menschen.«
Perez entspannte sich ein wenig und richtete seine Aufmerksamkeit auf die langen, dunklen Streifen, die vom Kadaver wegführten. »Sieht so aus, als hätte der Berglöwe den Hirsch ziemlich weit geschleppt. Hatten Sie nicht gesagt, Pumas schleppen ihre Beute nicht über längere Strecken?«
»Ich habe gesagt, sie tun so etwas nicht, wenn keine anderen Raubtiere oder Aasfresser in der Nähe sind. Haben Sie die Kojoten letzte Nacht vergessen?«
»Dann sind Pumas also in der Lage, ein großes Tier weit zu schleppen.«
Sam zuckte die Achseln. »Wenn sie sich dazu gezwungen fühlen.« Natürlich wusste sie, dass er auf Zack anspielte.
Sein Blick strich forschend über den Absatz, von dem der Puma gesprungen war. »Da oben ist etwas.« Er deutete mit der Pistole auf die Nische.
»Könnten Sie das Ding da wegstecken?« Sie ging einen Schritt zurück, um die kleine Höhle aus seinem Blickwinkel betrachten zu können.
Ein roter Lehmhaufen füllte eine Ecke der Nische aus. »Sieht nach einem Vorratslager der Anasazi aus. Im Park gibt es Hunderte davon.«
Sie ging zum Fels und deutete auf kleine Einkerbungen unterhalb der kleinen Höhle. »Da sind die Haltegriffe für Finger und Zehen, die Anasazi statt einer Leiter benutzten.«
Perez probierte es mit gekrümmten Fingern und zog sich dann zu der Felsnische hoch.
»He!«, protestierte sie. »Es ist verboten, Ruinen der Ureinwohner zu betreten. Per Gesetz sogar.«
Perez kletterte weiter und trat einen Schauer von Sand und losen Steinen los. Eine Eidechse huschte von ihrem Ruheplatz unter dem Baum in den nächsten, dunklen Spalt. Ein größerer Stein kam nur Zentimeter davor zum Liegen.
Verärgert warf Sam die Arme hoch. »Ach, das habe ich ja ganz vergessen. FBI-Beamte stehen über dem Gesetz. Sie gehen, wohin es ihnen beliebt.« Sie lief um den toten Hirsch herum und folgte Perez.
Er hatte sich auf den Vorsprung gezogen und stand gebeugt unter der Sandsteinwölbung. »Wir stehen nicht über dem Gesetz – wir sind das Gesetz. Und Sie haben verdammt recht: Wir gehen, wohin wir wollen.
Weitere Kostenlose Bücher