Summer Westin: Verhängnisvolle Spuren (German Edition)
und einen Fuß vor den anderen zu setzen. Der Startschuss zur Pumajagd rückte immer näher, sie mussten weiter.
Zehn Minuten später trug ihnen die Luft einen stechenden Geruch zu. Sams Grübeleien über die lange Liste der Verdächtigen fanden schlagartig ein Ende, als der Gestank von verwesenden Fleisch in ihre Nase drang. Verwesendes Fleisch! Ihr Herz setzte einen Schlag aus, und sie hielt sich die Nase zu. »Mein Gott. Was ist das?«
13
Vom Mirror Lake waren Gewehrschüsse gemeldet worden. Rafael Castillo erwischte zwei junge Männer dabei, wie sie abwechselnd auf eine Anschlagtafel schossen. Einer zielte gerade, als Castillo, die Hand am Revolver, hinter ihnen auftauchte.
»Was soll das, Teufel noch mal?«
Der Kerl schoss. Die Tafel erzitterte, Papierschnipsel und Holzsplitter flogen durch die Luft. Dann drehten die Männer sich um. Sahen die Abzeichen und den Revolver am Gurt. Der Hintere zerdrückte eine Bierdose und schob sie in die Hosentasche.
Der Schütze hatte entweder Rafaels Uniform nicht erkannt oder war zu betrunken, um sich darum zu scheren. »Mann, wir erledigen Pumas«, sagte er und machte eine wegwerfende Handbewegung in Richtung der Tafel. Jetzt erkannte Rafael, dass es sich bei den zerfetzten Resten um die Puma-Warnung handelte. »Zum Wohle der Gesellschaft.«
»Hören Sie«, sagte Rafael in freundlichem Ton. »Morgen kommen professionelle Jäger. Wir haben alles im Griff.«
»Staatliche Jäger, das habe ich auch gehört«, schnarrte der Mann mit der Bierdose. »Treffen wahrscheinlich nicht mal ’ne Scheune mit ’nem Maschinengewehr.«
»Zeitverschwendung, auf die zu warten«, sagte der Schütze. »Wir schnappen uns die Katze.«
Rafael hob die Hände. »Nun mal langsam, wir können doch nicht …«
»Ein Scheißpuma darf doch kein Kind fressen«, unterbrach ihn der Schütze und stieß den Gewehrkolben auf den Boden. Rafael zuckte zusammen, denn er rechnete damit, dass ein Schuss dem Kerl das Hirn wegblasen würde. Es tat ihm fast ein wenig leid, als nichts passierte.
Er war eben doch kein netter Kerl. Rafael stemmte die Hände in die Hüften und löste den Riegel vom Holster. »Es ist strafbar, im Park Waffen abzufeuern. Und es ist schon strafbar, sie überhaupt zu tragen, wenn man getrunken hat.«
Der Schütze wischte sich mit dem Handrücken über den Mund. »Mann, tut mir echt leid mit dem Bier.« Aber als Rafael nach dem Gewehr greifen wollte, zog der Betrunkene die Flinte weg. »Ich habe das Recht, eine Waffe zu tragen.«
Der andere nickte. »Steht in der Verfassung. Erster Zusatz.«
Der Schütze trat einen Schritt auf Rafael zu. »Polizistenschwein.«
Rafael zog sich in seinen Wagen zurück, nahm das Funkgerät und forderte Verstärkung an. Er fragte sich, wo Taylor, der zweite Polizeiranger, steckte. Die anderen Ranger trugen keine Waffen, aber in der jetzigen Situation wäre ihm jeder in Uniform willkommen. Ob die Parkverwaltung wohl für kugelsichere Westen aufkommen würde? Oder für seine Beerdigung?
Sam und Perez durchsuchten die Schlucht. Beiden war klar, dass der süßlich-stechende Geruch von etwas Totem herrühren musste.
»Dort.« Perez wies auf einen Haufen Unterholz in etwa zwanzig Metern Entfernung.
Lieber Gott, bitte lass es nicht Zack sein! Sam atmete flach durch den geöffneten Mund, als Perez die oberen Äste abhob. Ihr Herz schlug unregelmäßig beim Anblick eines feuchten, braunen Auges. Trüb sah es sie an, das Licht in der Pupille war erloschen.
Fliegen summten auf, Sam biss die Lippen fest zusammen, um ja keine einzuatmen. Perez schob ein paar trockene Blätter beiseite. Kopf, Hals und Beine eines Maultierhirschs lagen auf dem Sandstein, aus Bauch und Rücken fehlten große Stücke.
»Pumabeute?« Perez’ Stimme klang dumpf, er hatte den Hemdkragen über Mund und Nase gezogen.
»Glaube schon«, bestätigte sie. »Pumas verstecken ihre Beute, wenn sie nicht alles fressen können. Normalerweise bleiben sie in der Nähe.«
Mit dem Handrücken wischte sie die Fliegen beiseite und beschattete dann ihre Augen. Langsam drehte sie sich um die eigene Achse und suchte den Boden nach Spuren ab. Eine gefleckte Eidechse ruhte im spärlichen Schatten eines Mesquitebaums. Sam hob den Kopf und sah zu einem Felsvorsprung gleich darüber.
Ein durchdringender Blick aus gelben Augen ließ sie innehalten. Direkt über ihnen stand ein ausgewachsener Puma im Schatten einer Nische. Perez hatte das Tier auch entdeckt, das verriet ein erschrecktes Luftschnappen
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