Sumpfblüten
viel zu erinnern gab. Eugenie hatte Van Bonneville ganze elf Tage gekannt, bevor das Verbrechen geschah. Sie hatten ein einziges lausiges Date gehabt, bei dem sie Minigolf gespielt hatten, und hinterher hatten sie in der Fahrerkabine seines Pick-ups Minisex gehabt. Dass das ausreichte, um Van Bonneville in einen Zustand träumerisch blickender Verzückung zu versetzen, hatte Eugenie ein wenig deprimierend gefunden.
Anfangs hatte sein knorriges Äußeres sie angezogen, besonders seine Fingerknöchel, die auf reizvolle Weise mit Narben übersät waren. Eugenie war früher schon gelegentlich auf narbengezeichnete, harte Männer geflogen, doch an jenem ersten und letzten Abend mit Van Bonneville fand sie heraus, dass seine Wunden das Resultat häufiger Missgeschicke beim Ausasten waren und dass er sich beim Vorspiel genauso ungeschickt anstellte wie mit der Astsäge.
Zum Glück für ihren Verleger hatte Eugenie eine fruchtbare Phantasie. Das Manuskript, das sie und der Ghostwriter produzierten, war dünn, aber vom Inhalt her hinlänglich grell, um sofort zum Bestseller zu werden. Sieben Wochen lang lag Storm Ghoul in der Sachbuch-Bestsellerliste der New York Times gleich-auf mit einer Sammlung von Ann Coulters giftigster Al-Gore-Kolumnen. So heiß waren Eugenies Schilderungen von Van Bonnevilles sexuellen Talenten, dass er mit Heiratsanträgen wildfremder Frauen überschüttet wurde. Aus der Todeszelle schickte er Eugenie ein Dankesschreiben und ein Polaroidfoto seiner Hände.
Ihr Anteil an dem Vorschuss für das Buch war eine halbe Million Dollar, eine aufmunternde Summe. Eugenies neuer Freund, ein Börsenmakler, der sie in »Oprah« gesehen und ihre Website kontaktiert hatte, riet ihr, dieses unverhoffte Vermögen in ein brandheißes texanisches Unternehmen namens Enron zu investieren; gern würde er ihr Aktien zu einem herabgesetzten Ausgabeaufschlag beschaffen. Innerhalb von 24 Monaten war Eugenie völlig pleite, war wieder Single und arbeitete im Callcenter von Relentless. Zu diesem Zeitpunkt hatte eine Flut von Beschimpfungen sie veranlasst, ihre Website zu schließen und den Namen Fonda anzunehmen; eine völlig verhuschte Tante hatte mal behauptet, die Kusine dritten Grades von Peter und Jane zu sein.
Eugenie wusste noch immer nicht genau, warum sie Boyd Shreave verführt hatte, eine reizlose, missgestimmte Gestalt im Nebenabteil. Vielleicht weil er so wenig Interesse bekundet hatte, dass sie es als sexuelle Herausforderung empfand. Oder vielleicht hatte sie auch irgendetwas in seiner glasig blickenden Gleichgültigkeit erahnt, das auf eine geheime, ungestüme Seite von ihm hinwies, auf ein ungezähmtes, verwegenes Privatleben.
Bis jetzt allerdings war Boyd Shreave noch für keinerlei Überraschungen gut gewesen. Er war ein Mann ohne Mysterium und, abgesehen von seltsamen Punktierungen in seinem Schambereich, auch ohne Narben. Das Gute an ihm war, dass er einigermaßen gut aussah und im Bett recht zuverlässig war. Immer wieder versicherte er ihr, dass er eine Scheidung anstrebte, eine dreiste Lüge, bei der Eugenie unverdrossen mitspielte. Boyds Frau hatte eine kleine Kette von Pizzaläden geerbt, und deren Profit ermöglichte den Shreaves ein bequemes Auskommen, trotz Boyds Serienversagen als Verkäufer. Es wäre idiotisch von ihm gewesen, sie sitzen zu lassen, geschweige denn sie in Van Bonnville’scher Manier kaltzumachen, eine Tatsache, die Eugenie beruhigend fand. Sie war nicht scharf darauf, eine Zugabe als Geliebte eines Mörders zu geben.
Für Eugenie war Boyd Shreave keine Herzensangelegenheit, sondern eher eine Ablenkung zur rechten Zeit. Ihre Beziehung war die natürliche Folge der Tatsache, dass sie zusammen im langweiligsten, geisttötendsten Job auf diesem Planeten festsaßen.
Er kreuzte mit einem Sixpack Corona in ihrer Wohnung auf, das er auch dann noch umklammerte, als er sie umarmte. »Ich bin gefeuert worden«, sagte er.
»Oh nein.« Eugenie, die ihn auf ihren hohen Absätzen um zehn Zentimeter überragte, küsste ihn auf die Stirn. »Sag nicht, die haben dich heute Abend mitgeschnitten!«
Shreave nickte erbittert. »Miquel und Shantilla haben mich reingerufen und mir das ganze verdammte Gespräch vorgespielt. Dann haben sie so einen mexikanischen Affen vom Sicherheitsdienst losgeschickt, um meinen Schreibtisch leer zu räumen und mich rauszubringen.«
»Was ist denn mit Bewährungsmöglichkeiten?«, fragte Eugenie. »Ich dachte, die können einen nicht gleich feuern, wenn man zum
Weitere Kostenlose Bücher