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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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diese seltsamen Wesen zwischen ihre Finger, gaben sie wieder frei und legten sich auf den Bauch, um gespannt zuzuschauen, wie die dicken Raupen sich langsam im Moos verkrochen.
    Dem Zufall folgend, waren sie, ohne auf die Veränderung in der Landschaft zu achten, immer tiefer in das Dickicht der Niederung vorgedrungen, bis sie plötzlich gewahr wurden, daß ein fast abendliches Dämmerlicht sie umgab. Und immer näher ertönte ein unaufhörliches Brüllen ... das Brüllen des gegen die andere Seite der Dünenkette anbrandenden Meeres.
    Die Pinien wuchsen nicht mehr gerade und stolz wie auf der Seite des Sees. Ihre Stämme waren verrenkt, verdreht, ihre Zweige von seltsamem Weiß, ihre Kronen gegen den Boden geneigt. Alle standen sie schräg nach der gleichen Richtung gebeugt, als führe in der stillstehenden Luft des Nachmittags eine unhörbare Windsbraut über sie dahin ... Zur Zeit der großen Stürme marterte der Seewind diesen Teil des Waldes und hatte ihm einen grausigen Anblick gegeben.
    Die Kinder wichen zurück – diesen Winkel der Dehesa hatten sie als wildesten und gefahrvollsten schon erwähnen hören. Das tiefe Schweigen ringsum und die Unbeweglichkeit des Strauchwerks machte ihnen Angst: hier krochen die großen, von den Waldaufsehern verfolgten Schlangen; hier weideten die fürchterlichen Stiere, die sich von den Herden getrennt hatten und deren sich die Jäger mit groben Salzladungen erwehren mußten. Sangonera, ein besserer Kenner der Dehesa als seine Gefährten, übernahm es, sie nach dem See zurückzuführen, aber die jungen Palmen lockten ihn immer wieder abseits, bis auch er die Richtung gänzlich verlor. Der Abend brach an. Neleta erschrak vor dem sich ständig mehr verdüsternden Walde.Die beiden Jungens jedoch lachten. War der Pinienwald nicht wie ein großes Haus, in dem es genau wie in der Hütte schon vor Sonnenuntergang dunkel wurde? Draußen hingegen blieb es noch gut eine Stunde hell. Warum also eilen? ... Und um sie zu beruhigen, brachte ihr Tonet die zartesten Schößlinge.
    Jetzt aber kam wirklich die Nacht ... Die Viehglocken waren verstummt, und sogar Sangonera meinte, daß es Zeit sei, die Dehesa zu verlassen.
    »Aber erst noch etwas Holz sammeln«, mahnte Tonet, »sonst setzt es zu Hause was!«
    In großer Hast rafften sie dürres Reisig zusammen; dann machten sie sich, jeder mit einem mageren Bündelchen, auf den Heimweg.
    Minuten ... und sie tappten in vollkommener Dunkelheit. Nach der Seite, wo sie die Albufera vermuteten, schimmerte wie der Schein einer verlöschenden Feuersbrunst noch ein roter Glast, doch im Walde zeichneten sich Stämme und Büsche nur als tiefere Schatten auf einem schwarzen Hintergrunde ab. Auch Sangonera, der nicht mehr wußte, wohin er ging, verlor seine Sicherheit. Nach einem Fußpfad suchend, zwängten sie sich durch Dornengestrüpp, das ihre Beine blutig riß. Plötzlich schrie Neleta auf und stürzte – sie war über den Stumpf einer dicht am Boden abgehauenen Pinie gestolpert. Leise schluchzend, als fürchtete sie, durch lautes Weinen die das Dunkel bevölkernden schrecklichen Tiere herbeizuziehen, jammerte sie über ihren verletzten Fuß.
    »Lassen wir diese Suse, die nichts als heulen kann, doch einfach zurück«, äußerte Sangonera, worauf ihm Tonet ganz ungeheuerliche Prügel in Aussicht stellte, falls er es sich einfallen lassen sollte, sich heimlich zu drücken. Den Boden abtastend, kamen sie langsam weiter, bis endlich das Gestrüpp sich zu lichten schien.
    »Sangonera, jetzt können wir einen Pfad finden!« rief Tonet seinem Gefährten, der vorausmarschierte, mit frischem Mut zu.
    Ein Brechen von Zweigen, ein Rauschen auf der Flucht gestreiften Buschwerks war die einzige Antwort.
    »So ein Lump!« wütete Tonet. »Anstatt dir zu helfen, macht er sich davon!« Allein geblieben, ohne die Findigkeit des Vagabunden, die ihnen unentbehrlich schien, schwand den beiden Kindern mit einem Schlage der Rest von Kaltblütigkeit. Neleta weinte, alle Vorsicht vergessend, so laut, daß der stille Wald von ihrem Schluchzen widerhallte. Diese maßlose Angst ließTonets Energie wieder aufleben. Er legte seinen Arm um die Schulter der bebenden Kleinen, er stützte sie, er sprach ihr gut zu und bat sie, ihm zu folgen, ohne selbst zu wissen, wohin.
    Eine lange Weile standen sie so: sie krampfhaft schluchzend – er bemüht, sich über das Grauen vor dem Unbekannten hinwegzusetzen.
    Etwas Glitschiges, etwas Eisiges strich dicht an ihnen vorbei und peitschte

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