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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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alles! ... Und dann schlafen wir wie Mann und Frau.«
    In ihrer Unschuld schauerten sie bei diesen Worten zusammen, drängten sichdann aber noch enger aneinander, als folgten sie einem Gebot ihrer Zärtlichkeit, die Wärme ihrer Körper zu verschmelzen.
    Tonet wurde von einer seltsamen, unerklärlichen Trunkenheit ergriffen. Nie hatte für ihn der Körper seiner Kameradin – so oft beim rüden Spiel geprügelt – diese süße Wärme gehabt, die in seine Adern einzudringen schien und ihm zu Kopf stieg wie der Wein, den ihm der Großvater in der Taverne erlaubte. Er blickte vage vor sich hin, aber in Wirklichkeit war seine ganze Aufmerksamkeit auf Neletas Köpfchen an seiner Schulter gerichtet, auf diesen Mund, dessen Hauch seinen Hals wie eine Samthand koste. Beide verstummten, und ihr Schweigen erhöhte den Zauber. Neleta öffnete ihre grünen Augen, auf deren Grund der Reflex des Mondes einen Tautropfen schuf, rutschte ein wenig hin und her, um die beste Lage zu finden, und schloß sie wieder.
    »Tonet ... Tonet! ...« murmelte sie schon halb im Traum und schmiegte sich noch dichter an ihn.
    Wie spät war es? ... Der Junge merkte, wie seine Lider sich senkten, weniger schwer von Schlaf als von dem rätselhaften Rausch, der ihn lähmte. Von allem Murmeln des Waldes vernahm er nur das Summen der Moskitos, die als dunkles Wölkchen über ihren Gesichtern schwirrten – Gesichter der Kinder vom See, deren Haut Sonne und Wind hart macht.
    Es war ein sonderbares Konzert, das sie einwiegte und weich über die ersten Wogen des Schlafs gleiten ließ. Da kreischten einige wie schrille Violinen, die schneidende Note ins Unendliche verlängernd; andere, ernsthafter, modulierten eine kurze Skala, und die beleibtesten, die ganz dicken brummten dumpf vibrierend wie tiefe Kontrabässe oder ferne Schläge einer Uhr.
    Am nächsten Morgen weckte sie die Sonne, die heiß auf ihrer Stirn brannte, und der Hund eines Flurhüters. Knurrend fletschte er seine Zähne dicht vor ihren Augen.
    Sie befanden sich fast am Ausgang der Dehesa, und der Heimweg nach Palmar war kurz.
    Tonets Mutter, die immer Nachsichtige und Traurige, lief, um sich für eine qualvolle Nacht zu entschädigen, mit einem Stock in der Hand auf ihren Sprößling zu, den trotz seiner Behendigkeit ein paar Schläge erreichten. Auch Neleta erhielt als eine Art Vorschuß auf das Strafgericht, das ihr bei der Rückkehr ihrer Mutter gewiß war, etliche derbe Ohrfeigen.
    Seit diesem Streich nannte das ganze Dorf in stummer Übereinkunft Tonetund Neleta »das Brautpaar«, und die beiden – wie für immer durch die Nacht des unschuldigen Zusammenseins verbunden – liebten sich, ohne es sich durch Worte zu sagen; für sie war es selbstverständlich, daß einer dem anderen gehörte.
    Dieses Abenteuer bezeichnete das Ende ihrer Kindheit. Das fröhliche Umhertollen, das sorglose Dasein ohne Pflichten hörte auf. Neleta teilte das Leben ihrer Mutter: Nacht für Nacht fuhr sie mit den Aalkörben nach Valencia, von wo sie erst am nächsten Nachmittage zurückkehrte. Und auch Tonet, der sie nur noch abends einen Augenblick zu sehen bekam, mußte sich plagen.
    Der sonst so gutmütige Vater stellte jetzt, da sein Sohn herangewachsen war, dieselben Ansprüche wie früher der alte Paloma, und Tonet wurde wie ein resigniertes Tier zur Arbeit geschleppt. Toni, dieser zäh an seinem Vorhaben festhaltende Held, war unerschütterlich in seinen Entschlüssen: während der Reisaussaat und der Ernte mühte sich der Junge auf den Feldern von Saler ab, den Rest des Jahres fischte er mit seinem Vater, bisweilen auch mit dem Großvater, obwohl der unausgesetzt gegen das verflixte Pech wetterte, daß solche Bummler in seiner Familie geboren wurden.
    Ein wenig fühlte sich Tonet auch durch Langeweile zur Arbeit angetrieben. Was sollte er im Dorf, das tagsüber niemanden beherbergte, mit dem er sich die Zeit hätte vertreiben können? ... Neleta verkaufte ihre Aale in Valencia, und seine alten Kameraden, gleich ihm dem Kindesalter entwachsen, mußten ihren Vätern beim Fischen an die Hand gehen. Blieb noch Sangonera; aber dieser Schlingel schlug in Erinnerung an die furchtbaren Prügel, mit denen ihm Tonet die Flucht aus dem Walde heimgezahlt hatte, einen weiten Bogen um seinen früheren Kumpan.
    Dem Tunichtgut war es gelungen, endgültig als Diener im Pfarrhaus aufgenommen zu werden, und die zerfallene Hütte, durch deren Dach der Regen wie auf freiem Felde fiel, gewährte nur noch seinem Vater dann und

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