Sumpffieber
wann Unterschlupf.
Der alte Sangonera hatte jetzt einen Beruf. Wenn er nicht betrunken war, widmete er sich der Jagd auf die Fischottern, die, jahrhundertelang erbittert verfolgt, kaum noch ein Dutzend zählten.
Als er eines Tages auf einer Uferböschung seinen Wein verdaute, hatte er das Wasser in kleinen Strudeln aufwallen und große Luftblasen aufsteigen sehen. Irgend etwas huschte dort unten herum und suchte die Reusen ab ...Mit einem Satz stand Sangonera im Wasser, trieb ein dunkles Tier auf und hetzte ihm nach, bis er nahe genug kam, um es mit seinem Knüppel zu erschlagen.
Es war die berühmte Lludria, von der man heute in Palmar wie von einem phantastischen Tier sprach, die aber einstmals den See in solcher Menge bevölkerte, daß sie, die Netze zerreißend, den Fischfang beinahe unmöglich machte.
Der Vagabund hielt sich für den ersten Mann der Albufera. Auf Grund alter Gesetze – genau verzeichnet in den dicken, vom Schöffen verwahrten Folianten – war die Fischergenossenschaft in Palmar verpflichtet, für jede ihr vorgezeigte Fischotter einen Duro zu zahlen.
Der Alte nahm seine Prämie in Empfang. Aber damit nicht zufrieden, entschloß er sich zu einer Triumphfahrt rings um das Ufergestade des Sees, um in allen Ortschaften seine Beute zu zeigen. Dieses Tier war ein Schatz! ... Überall rief man ihn; keine Taverne gab es, wo man ihn nicht mit offenen Armen empfing.
»Hereinspaziert, Väterchen Sangonera! Laß uns mal dein Biestchen sehen!« Und Sangonera, der sich erst mit einigen Glas Wein traktieren ließ, wickelte ganz verliebt aus einer wollenen Decke das weiche Körperchen, gestattete auch, das Fell zu bewundern und mit der Hand zu streicheln – »aber schön vorsichtig, he!«
Niemals hatten den kleinen Sangonera, als er zur Welt kam, die Arme seines Vaters mit solch behutsamer Zärtlichkeit gehalten. Aber die Tage vergingen; die Leute bekamen es satt, die Lludria zu bestaunen. Nicht einmal ein Gläschen billigen Schnaps war sie ihnen noch wert! Ja, aus den Tavernen wurde der Alte wie ein Pestkranker hinausgeworfen, da seine verwesende Fischotter einen entsetzlichen Gestank ausströmte. Da fand er das Mittel, noch einen letzten Gewinn aus dem lieben Tierchen herauszuholen, indem er es an einen Ausstopfer in Valencia verkaufte. Hinfort aber erklärte er der ganzen Welt, daß er nunmehr erkannt hätte, wozu er wahrhaft berufen sei: zum Otternjäger.
Mit dem Eifer eines Menschen, der dem Glück nachjagt, begab er sich auf die Suche nach einer anderen. Sowohl die Prämie der Fischergenossenschaft als auch die acht Tage Essen und Trinken nach Herzenslust hafteten unauslöschlich in seinem Gedächtnis. Nur ließ sich die zweite Fischotter leider nicht fassen. Bisweilen glaubte er, sie in den entlegensten Kanälen zu sehen; abersofort verbarg sie sich, just, als hätten alle zu ihrer Familie Gehörigen von dem neuen Berufe Sangoneras Kenntnis erhalten. Seine Verzweiflung trieb ihn, sich a conto der in Aussicht stehenden Ottern zu betrinken, und schon hatte er mehr als zwei durch seine Gurgel laufen lassen, als Fischer ihn nachts in einem Kanal fanden. Ertrunken! Auf dem schlüpfrigen Schlamm ausgeglitten und in seinem Rausch nicht fähig, wieder hochzukommen, war er im Wasser geblieben – für ewig auf der Jagd nach seiner Lludria.
Sein Tod brachte keinerlei Veränderung für seinen Sohn. Die Vikare von Palmar, wohin versetzt zu werden, einer Strafe gleichkam, folgten sich; doch er blieb. Mit dem ärmlichen Kirchlein übernahm jeder neue Pfarrer auch Sangonera wie einen für den Gottesdienst unentbehrlichen Gegenstand. Im ganzen Dorf verstand nur er, bei der Messe zu dienen. In seinem Gedächtnis war die Liste sämtlicher in der Sakristei aufbewahrter Ornate verzeichnet, zugleich mit der genauen Anzahl ihrer Risse, gestopften Stellen und Mottenlöcher, und im Bestreben, sich seinem Herrn angenehm zu machen, zeigte er sich so willig, daß jede Anordnung desselben im Moment ausgeführt wurde. Der Gedanke, daß er als einziger Sohn Palmars nicht auf dem See herumstakte und nachts auf dem Wasser lag, ließ ihn, von Hochmut gebläht, auf alle anderen herabsehen.
Früh am Sonntag war er es, der mit dem Kreuz der Rosenkranzprozession voranschritt. Zwei Reihen von singenden Männern, Frauen und Kindern folgten langsam der einzigen Dorfstraße und zogen, damit die Zeremonie noch länger dauere, weiter über die Uferdämme bis zu den entlegenen Hütten. In dem halben Lichte des werdenden Tages blitzten
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