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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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stets Sieger geblieben war. Sogar ein Fischer von Catarroja, ein brutaler Draufgänger, mußte vor Tonets Fitora flüchten. Sein Vater krauste die Stirn, wenn er hörte, daß es wieder einmal blutige Köpfe gegeben habe; Paloma hingegen lachte, für einen Moment mit seinem Enkel ausgesöhnt. Am meisten imponierte dem Alten, daß Tonet eines Tages den Flurhütern die Stirn zu bieten wagte und unter ihren Augen mit seinen gewilderten Kaninchen abzog.
    »Arbeiten kann er nicht«, meinte der Großvater, »aber von meinem Blut ist er!«
    Sobald dieser Grünschnabel, der noch nicht achtzehn Jahre war und dennoch dem Dorf so viel zu reden gab, aus dem Boot stieg, suchte er seine Lieblingsstätte auf, ein neues Etablissement, von dem die ganze Albufera viel Wesens machte. Im Gegensatz zu anderen Kneipen, Hütten mit niedrigem, verräuchertem Dach, ohne anderes Luftloch als die offene Tür, war Cañamels Taverne ein wirkliches Haus. Wie ein Wunderwerk erhoben sich seine blaubemalten Backsteinmauern und das rote Ziegeldach über die Armseligkeit der strohbelegten Hütten. Von den beiden Türen führte die eine zum Kanal, die andere zur Dorfstraße. Und der Raum zwischen diesen Türen wurde nie leer von Reisbauern und Fischern, die teils an der Theke im Stehen tranken,dabei wie hypnotisiert die beiden Reihen roter Fässer betrachtend, teils auf grasgepolsterten Schemeln vor den schmalen Tischen saßen, um endlose Partien Brisca und Truque zu spielen.
    Der Luxus dieser Taverne bildete den Stolz ihrer Kunden. Die Wände waren bis in Mannshöhe mit valencianischen Fliesen bedeckt, über denen sich bunte, phantastische Landschaften hinzogen, und vom Gebälk hingen Schnüre von Rotwürstchen, Hanfschuhe und Bündel rauher, gelber Seile, wie sie die großen Barken zum Takelwerk benutzten.
    »Muß dieser Dicke Geld haben!...« sagten alle bewundernd.
    Er war Gendarm auf Kuba gewesen, dann Zollwächter in Spanien. Später, vom Geschick nach Algier verschlagen, war er während mancher Jahre dort so ziemlich jedem Gewerbe nachgegangen. Ein kluger Mann!...
    Nie hatte man in Palmar so guten Wein getrunken wie bei ihm. Alles überhaupt in diesem Hause war vom besten. Jeder Kunde wurde freundlich empfangen, und über die Preise konnte man nicht klagen.
    Dieser Cañamel stammte nicht aus Palmar, nicht einmal aus dem Valencianischen, sondern aus einer fernen, sehr fernen Gegend, wo man reines Spanisch spricht. Als er in seiner Jugend den Zollwächterdienst in der Albufera versah, hatte er ein armes und häßliches Mädchen aus Palmar geheiratet, dem zuliebe er sich mit den Ersparnissen seines vom Zufall abhängig gewesenen Lebens in ihrem Heimatdorfe niederließ. Seine Frau war krank, verbraucht durch die allzu vielen Reisen, die sie unablässig von ihrem ruhigen, abgeschiedenen Winkel am See träumen ließen.
    »Ah, so ein Gerissener!« ereiferten sich die übrigen Wirte vom Dorf, die ihre Kundschaft zu Cañamel abschwenken sahen. »Als ob man nicht wüßte, warum er den guten Wein so billig verkaufen kann! Was ihn am wenigsten interessiert, ist doch seine Taverne!...«
    Cañamel lächelte nur gütig, wenn man ihm solche Äußerungen hinterbrachte: »Schließlich müssen wir ja alle von irgend etwas leben!«
    Seine Intimsten wußten, daß diese Nachreden einer Berechtigung nicht entbehrten. Die Taverne spielte allerdings keine wesentliche Rolle; sein Hauptgeschäft begann erst sehr spät, nach Feierabend. Nicht umsonst war er Zollwächter gewesen und kannte jeden Strand! In düsteren Nächten wurden irgendwo an der Meeresküste Bündel abgesetzt, von einem Schwarm schwarzer Schatten in Empfang genommen und quer durch die Dehesa bis zum Seeufer fortgeschafft. Dort füllten sich die großen Barken, die »Lauten« der Albufera,die bis hundert Sack Reis laden können, mit Tabakballen, um dann langsam im Dunkel der Lagune zu verschwinden. Und am nächsten Morgen – nichts gesehen, nichts gehört!
    Als Mannschaft für diese Expeditionen erkor Cañamel die Verwegensten unter den Kunden seiner Taverne; und trotz seiner Jugend wurde Toni dank seines Mutes und seiner Verschwiegenheit mehrere Male durch das Vertrauen des Schankwirts geehrt. Solch nächtliche Arbeit konnte einem zuverlässigen Manne zwei oder drei Duros Verdienst einbringen, die aber, in Wein und Schnaps umgesetzt, schnell wieder in Cañamels Hände zurückkehrten. Und dabei äußerten diese Tröpfe, wenn sie sich am folgenden Tage der Gefahren einer Unternehmung erinnerten, bei der sie

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