Sumpffieber
achttägigen Kneiperei. Stumm wie immer machte sich der Vater auf den Weg.
Tonet, der Mittelpunkt der Schankstube, trank mit dem Durst des Trunkenen; um ihn herum ein aufmerksames Publikum, bei dem der Bericht über die Missetaten seiner Bande Lachsalven entfesselte.
Ein Schlag von Tonis Hand zertrümmerte den Weinkrug, den sein Sohn zum Munde führte, und ließ dessen Kopf auf die Schulter fliegen. Ebenso bestürzt über den Schlag wie über das plötzliche Erscheinen seines Vaters duckte Tonet sich sekundenlang. Doch dann flackerte in seinen Augen ein trübes, unlauteres Licht. »Niemand schlägt mich ungestraft ... auch du nicht!« Damit stürzte er auf seinen Vater los.
Aber es war eine gewagte Sache, gegen diesen ernsten Giganten zu revoltieren, der in seinen Armen die Energie von mehr als dreißig Jahren Kampf gegen die Misere aufwies. Ohne die Lippen zu öffnen, hemmte er Tonets Anspringen durch eine Ohrfeige, die den Burschen zum Taumeln brachte, und schleuderte ihn fast gleichzeitig mit einem Fußtritt zur Wand, wo er wie ein Sack über einen Spieltisch fiel.
So schreckenerregend war der wortlose Zorn dieses Riesen, daß sämtliche Männer ihn umringten und festzuhalten suchten. Als die Ruhe wieder eintrat, befand sich Tonis Sohn nicht mehr unter den Anwesenden. Die Arme in Verzweiflung erhoben, war Tonet geflüchtet. Man hatte ihn geschlagen . . . ihn, den jeder fürchtete ... man hatte ihn geschlagen vor den Augen von ganz Palmar!
Tage verstrichen, ohne eine Nachricht von ihm zu bringen. Dann erfuhr man durch Fischhändler, daß er in der Kaserne von Monte-Olivete saß und in nicht allzulanger Zeit nach Kuba eingeschifft werden würde. Er hatte sich anwerben lassen. Als er, in ohnmächtiger Wut nach Valencia entflohen, sich in den Kneipen nahe der Kaserne herumdrückte, auf der das Fähnchen für den Überseedienst wehte, hatten die Leute, die dort aus- und eingingen – auf den Moment ihrer Einschiffung wartende Freiwillige und pfiffige Werber –, ihm zu diesem Entschluß verholfen.
Sein Vater wollte im ersten Augenblick Einspruch erheben: der Junge war noch nicht zwanzig Jahre alt, durfte also nach den Gesetzen nicht angenommen werden. Außerdem handelte es sich hier um den einzigen Sohn der Familie. Aber mit gewohnter Härte ließ ihn der Großvater auf diese Idee verzichten.
»Das Beste, was ihm passieren kann. Hier wächst er krumm! Die da werden es schon fertigbringen, ihn gerade zu richten. Und wenn er sterben sollte – ein Tunichtgut weniger!«
Borda war die einzige, die nach Monte-Olivete fuhr, um ihm schluchzend seine Wäsche und soviel Kleingeld zu bringen, wie sie sich ohne Wissen desVaters hatte verschaffen können. Kein Wort trug er ihr für Neleta auf; der Bräutigam schien sie vergessen zu haben.
Zwei Jahre vergingen, ohne daß er ein Lebenszeichen von sich gab. Eines Tages jedoch erhielt der Vater einen Brief, der mit dramatischen Phrasen anfing und in dem Tonet in falscher Sentimentalität um Verzeihung bat. Dann berichtete er von seinem Leben. Er war jetzt Gendarm in Guantánamo und hatte es gut. Doch der ganze Brief atmete die Aufgeblasenheit und Überhebung eines Mannes, der mit der Waffe in der Hand die Gegend abstreift und Furcht und Respekt einflößt. »Meine Gesundheit«, endete das Schreiben, »ist vorzüglich; nicht die kleinste Krankheit, seit ich landete. Wer in unserer Lagune groß wird und ihr Schlammwasser trinkt, ist von vornherein überall akklimatisiert.«
Es folgte der kubanische Unabhängigkeitskrieg, und Borda weinte in einem Winkel der Hütte, wenn wirre Nachrichten über die sich in der Ferne abspielenden Kämpfe eintrafen. Im Dorf trugen schon zwei Frauen Trauer; und marschierten die jungen Leute zur Auslosung, so jammerten ihre Familien, als sollte man sich nie wiedersehen.
Aber Tonets Briefe wirkten beruhigend. Er führte als Korporal eine berittene Guerrilla [Kleine Streifschar.] und schien von seinem Leben sehr befriedigt. Mit liebevoller Genauigkeit beschrieb er seine Ausrüstung – Uniform aus gestreifter Baumwolle, großer Panamahut und kurze Lackstiefel; an der Hüfte ein Machete und über dem Sattel der Mauserkarabiner.
»Keine Sorge! Dieses Leben paßt für mich: gute Löhnung, viel Bewegung und enorme Freiheit. Es lebe der Krieg!«
Und man erriet von weitem den großmäuligen Soldaten, der gern Mühsal, Hunger und Durst auf sich nimmt, um dafür von monotoner, vulgärer Arbeit befreit zu sein, um außerhalb der Gesetze normaler Zeiten zu
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