Sumpffieber
selbst die erste Rolle gespielt hatten, noch in bewunderndem Ton: »Hat dieser Cañamel Courage im Leibe!«
Alles ging wunderschön. Seine alten Freunde in Algier sandten pünktlich ihre Ladungen, und an der Küste waren die meisten Zollwächter infolge seiner gewichtigen Händedrücke blind. Kurz, trotz der außerordentlichen Generosität, mit der Cañamel alle Mäuler stopfte, die ihm schaden konnten, blühte das Geschäft derart, daß er sozusagen über Nacht vermögend wurde. Nach Ablauf des ersten Jahres konnte er schon Reisfelder kaufen, und im oberen Stockwerk der Taverne verfügte er über einen Sack voll Silbergeld – um Hilfesuchenden mit Darlehen aus der Not zu helfen.
Ebenso schnell wuchs sein Ansehen. Im Anfang hatte man ihm wegen des weichen, honigsüßen Akzents, mit dem er sich nur mühsam auf valencianisch ausdrückte, den Spitznamen Cañamel gegeben. Als er dann reich wurde, nannten ihn die Leute – doch ohne den Spitznamen zu vergessen – Paco, wie er es nach den Worten seiner Frau in seiner Heimat gewohnt gewesen war, und ärgerlich fuhr er jedesmal hoch, wenn man ihn wie alle übrigen Franciscos im Dorf Quico anzureden sich erkühnte.
Beim Tode seiner Frau, der Gefährtin seiner schlechten Tage, versuchte deren jüngere Schwester Samaruca, eine häßliche Fischerwitwe von herrschsüchtigem Charakter, sich, von der ganzen Verwandtschaft begleitet, als Herrin in der Taverne zu installieren. Alle umschmeichelten sie Cañamel mit der Zuvorkommenheit, die einem reichen Verwandten gebührt, und betonten, wie schwierig es für einen Mann sei, allein einer Taverne vorzustehen. Doch Cañamel, der die böse Zunge seiner Schwägerin fürchtete und dem es vor der Möglichkeit graute, daß sie nach dem noch warmen Platze ihrerSchwester trachten könnte, setzte sie, dem Skandal ihres Gezeters Trotz bietend, vor die Tür. Für die Aufwartung in der Taverne genügten ihm zwei alte Frauen, die hinfort die scharfen Knoblauch- und Pfeffersoßen zubereiteten und den Schanktisch säuberten, auf dem das ganze Dorf die Ellenbogen durchscheuerte.
Der Fesseln ledig, kritisierte Cañamel jetzt die Ehe. Für einen Mann von seinem Vermögen gab es überhaupt nur eine Konvenienzheirat mit einer Frau, die über einen noch größeren Geldbeutel verfügte als er selber ... Und abends lachte er beifällig über die Worte Palomas, der – überaus beredt, sobald er von Frauen sprach – alle seine Vergleiche von den Vögeln der Albufera ableitete.
»Die Weiber! ... Eine schlimme Pest! Die undankbarsten und vergeßlichsten Kreaturen der Schöpfung! Seht euch doch nur die armen Collvèrts vom See an. Immer sind sie zusammen mit dem Weibchen, und wenn der Jäger eins herunterholt, umflattert das dämliche Männchen, anstatt zu flüchten, so lange die Stelle, wo seine Gefährtin stürzte, bis der Jäger auch ihm ein Ende macht. Fällt aber das Männchen, so huscht das Weibchen, ohne den Kopf zu drehen, munter davon, als wenn nichts passiert wäre, um sich baldigst einen anderen zu suchen ... Cristo! So sind sie alle, einerlei, ob sie Federn oder Unterröcke tragen.«
Tonet verbrachte jede Nacht beim Kartenspiel in der Taverne, ungeduldig den Sonntag erwartend, an dem er auch den ganzen Tag dort weilen konnte. Ihm war es ein Genuß, unbeweglich an einem der kleinen Tische zu sitzen, die Weinkanne in Armweite und vor sich ein Häuflein Maiskörner als Spielmarken. Wie schade, daß er nicht reich wie Cañamel, sich dieses Herrenleben immer gönnen konnte! ... Er raste beim Gedanken an die mühselige Arbeit im Boot, die am nächsten Tage auf ihn lauern würde, und seine Passion für ein Faulenzerdasein nahm derartig zu, daß der Wirt den Drückeberger, der sich die Ballen mit solch sichtlicher Unlust auflud, überhaupt nicht mehr zur Teilnahme an den nächtlichen Expeditionen aufforderte.
Oh, dieser Ekel vor einem Leben ohne anderen Horizont als den See! ... So oft er konnte, fuhr Tonet, den Zorn seines Vaters mißachtend, zur Küste und streifte die Dörfer nach den Burschen ab, mit denen er zur Zeit der Reisernte Freundschaft geschlossen hatte. Einige Male ging er auch nach Valencia mit dem Vorsatz, dort zu bleiben, aber der Hunger trieb ihn wieder nach Hause. In der Stadt hatte er aus nächster Nähe gesehen, daß es Menschen gab, dieohne Arbeit lebten, und er verwünschte seinen Unstern, wie eine Amphibie in einem Landstrich von Schilf und Schlamm bleiben zu müssen, wo der Mensch von Kindesbeinen an sich in einen Kahn
Weitere Kostenlose Bücher