Sumpffieber
nach Gottes Geboten zu leben, ohne Heuchelei und Lüge?«
Tonet zuckte mit den Achseln. Was konnte er machen? Er wollte ja gern heiraten – aber die Entscheidung darüber lag bei Neleta!
Die Wirtin war die einzige Frau Palmars, die dem rauhen Vikar die Stirn zu bieten wagte. Ohne von ihrer gewohnten Sanftmut zu lassen, beklagte sie sich bitter wegen seiner Zurechtweisungen.
»Niemand kann mir etwas vorwerfen! Warum denn heiraten? ... Ich habe gar kein Bedürfnis nach Männern! Nur muß ich für die Taverne eine männliche Hilfe haben, und dafür nahm ich Tonet, den Jugendfreund. Darf ich mir nicht den aussuchen, der mir das meiste Vertrauen einflößt? Ich weiß schon, wie Samaruca mich anschwärzt, damit ich ihr die Reisfelder des Seligen abtrete – die Hälfte des ganzen Vermögens, zu dem meine Arbeit redlich ihr Teil beigetragen hat! Aber eher trocknet der See aus, als daß dies Weib eine Peseta sieht!«
Mit unverhüllter Heftigkeit brach bei Neleta die Habgier von Generationen elender Fischer durch, der Neid auf Besitzer rentablen Grund und Bodens. Sie erinnerte sich an ihre hungrige Kindheit, wenn sie demütig in der Tür der Palomas darauf wartete, ob Tonets Mutter sich ihrer erbarme; sie erinnerte sich an die Anstrengungen, die es sie gekostet hatte, Cañamel zum Traualtar zu bringen und sich während seines langen Siechtums in Geduld zu fassen. Und jetzt, da sie die reichste Frau von Palmar war, sollte sie wegen ein paar nichtiger Skrupel ihr Vermögen mit Leuten teilen, die ihr immer Schaden zugefügt hatten?
Ihre schönen Reisfelder, um die sie sich mit so vieler Liebe kümmerte, in den Besitz der Samaruca übergehen lassen! Rot stieg es vor ihren Augen auf, ihre Hände krallten sich in derselben rasenden Wut zusammen wie damals in Ruzafa, als sie wie ein wildes Tier auf ihre Feindin stürzte.
Der Reichtum hatte sie geändert. Gewiß liebte sie Tonet, aber bei einer Wahl zwischen ihm und ihrem Vermögen bestand für sie kein Zweifel, daß sie ihren Liebhaber opfern mußte. Früher oder später würde er doch zu ihr zurückkehren – sein Leben war für immer an das ihrige gekettet; gab sie hingegen das kleinste Teilchen ihrer Erbschaft frei, so sah sie es niemals wieder.
Deswegen hörte sie auch mit Entrüstung die zaghaften Vorschläge, die Tonet ihr nachts im stillen Schlafzimmer des oberen Stockwerks machte.
Den Kubaner bedrückte dieses Leben, bei dem sie wie flüchtige Verbrecher ständig auf der Hut sein mußten. Ihn verlangte danach, rechtmäßiger Besitzer der Taverne zu werden, dem Dorf mit dieser neuen sozialen Stellung zu imponieren und denen gleichgestellt zu sein, die ihn geringschätzig behandelt hatten. Außerdem – doch dies verheimlichte er ihr sorgfältig – sagte ihm sein Empfinden, daß er als Neletas Gatte weniger unter ihrem herrschsüchtigen Charakter zu leiden haben würde, unter diesem Despotismus der reichen Frau, die ihrem Liebhaber nach Laune die Tür weisen kann. »Da wir uns doch lieben, Neleta, warum wollen wir denn nicht heiraten?«
Aber im Dunkel des Alkovens raschelte, während Tonet sprach, das Maisstroh der Bettsäcke unter Neletas heftigen, ungeduldigen Bewegungen.
»Fängst du auch an? ...« Ihre Stimme hatte wieder den rauhen Klang der Wut. »Nein, mein Junge! Ich weiß, was ich zu tun habe, und brauche keine Ratschläge. So wie es jetzt ist, ist es ganz gut für uns beide. Fehlt dir vielleicht etwas? ... Verfügst du nicht über alles, als wenn es dir gehörte? ... Nur für das Vergnügen, von Don Miguel getraut zu werden, soll ich die Hälfte meines Vermögens den Dreckhänden Samarucas ausliefern? Und ferner: was hier in Palmar als Reichtum gilt, langt außerhalb der Albufera kaum zu einem bescheidenen Dasein. Ich aber habe gar keine Lust, ewig hier Gläser zu füllen und mich mit Bezechten herumzuplagen; ich will den Rest meines Lebens in Valencia verbringen, in einer schönen Wohnung, wie eine richtige Señora, die von ihren Renten lebt. Deshalb werde ich Geld auch zu viel höheren Zinsen ausleihen als Cañamel, und wenn ich wirklich reich geworden bin, entschließe ich mich vielleicht, Samaruca mit einer Summeabzufinden, die dann für mich eine Lappalie bedeutet. Wenn es so weit ist, dann kannst du mir von Ehe reden, vorausgesetzt daß du dich stets gut führst und mir gehorchst. Aber vorläufig, Recordons! nichts von übereilter Heirat; nichts vom Geldhergeben! Eher lasse ich mir wie eine Schleie den Bauch aufschlitzen!«
Ihre Worte verrieten
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