Sumpffieber
Seinigen. Immer enger schloß er sich seinem Vater und Borda an, teilte ihre Hoffnungen wie ihre Mühen undbeglückte sie durch sein Betragen; denn selten nur trank er ein Glas Wein, und die Abende verbrachte er in Gesellschaft des Vaters, dem er Geschichten von Kuba zum besten gab.
Borda strahlte.
»Der arme, liebe Junge! Ihr ahnt nicht, wie gut er im Grunde ist! Und welche Freude er dem Vater bereitet!« lobte sie ihn, wenn sie mit einer Nachbarin sprach.
Ganz plötzlich ließ Neleta die Taverne im Stich, um nach Ruzafa zu fahren. So groß war ihre Hast, daß sie die Postbarke nicht abwarten wollte, sondern den alten Paloma rief, damit er sie mit seinem kleinen Boot in Saler oder dem Hafen von Catarroja oder sonst irgendeinem Ort an der Küste absetze, von wo sie Ruzafa erreichen konnte.
Cañamel ging es sehr schlecht, aber nicht das nahm Neleta so schwer. Vormittags hatte die von Ruzafa herbeigeeilte Tante ihr Neuigkeiten erzählt, die sie hinter ihrem Schanktisch zu Stein werden ließen. Seit vier Tagen befand sich die Samaruca in Ruzafa, als Verwandte im selben Hause installiert, und mit ihr ein Neffe, den sie wie ein eigenes Kind liebte – derselbe Bursche, der in der Nacht der Serenaden von Tonet mißhandelt wurde. Anfänglich hatte die gutmütige Pflegerin in ihrer Herzenseinfalt dazu geschwiegen – es waren ja schließlich Verwandte Cañamels – und warum den Kranken dieser Zerstreuung berauben? Aber dann hörte sie zufällig vor zwei Abenden, wie Samaruca ihrem Schwager beteuerte, daß Tonet seit der Abreise des Wirts jede Nacht in die Taverne schlüpfe.
»Außerdem« – als sie dies erzählte, zitterte die Alte vor Furcht – »kamen gestern zwei von Samaruca und ihrem Neffen geführte Herren ins Haus, von denen der eine mit gedämpfter Stimme Fragen an Cañamel richtete und der andere schrieb. Sicher hat das etwas mit dem Testament zu tun.«
Bei dieser Nachricht offenbarte sich Neleta so, wie sie wirklich war. Ihre kleine Mimosenstimme mit dem süßen Tonfall wurde rauh, die Augen funkelten, über ihre Haut lief eine grünliche Welle.
»Carajo!« fluchte sie, genau wie irgendeiner der bei ihr verkehrenden Fischer. »Damit mir das passiert, habe ich Cañamel geheiratet? ... Deshalb ertrage ich diese endlosen Quälereien und zwinge mich, sanft und liebreich zu sein?«
Ihr erster Impuls war, mit den Fäusten auf ihre Tante loszugehen, die in letzter Stunde erst den Mund auftat, wenn es vielleicht schon kein Mittelmehr gab, dem Unheil zu steuern. Aber sich bewußt werdend, daß sie hiermit nur kostbare Zeit verlieren würde, zog sie es vor, zum Boot des alten Paloma zu rennen. Sie selbst half ihm beim Staken. Nur rasch, rasch aus dem Kanal hinaus und das Segel setzen!
Spät nachmittags brach sie wie ein Orkan in das kleine Häuschen in Ruzafa ein. Samaruca erbleichte bei ihrem Anblick und wich unwillkürlich in der Richtung zur Tür zurück; doch ehe sie sich in Sicherheit bringen konnte, versetzte ihr Neleta eine schallende Ohrfeige. Schon lagen sich die beiden Frauen, stumm vor Wut, in den Haaren; sie zerrten sich durch das Zimmer, stießen gegen die Wände, warfen die Stühle um, ohne daß die in das Haar der Gegnerin verkrallten Finger nachgaben.
Samaruca war stark – die Gevatterinnen Palmars bangten vor ihr –, aber Neleta verbarg unter der Süße ihres Lächelns und der Sanftheit ihrer Stimme die Gewandtheit einer Schlange. Außer sich vor Grimm biß sie in die Backe ihrer Feindin, daß das Blut hervorquoll.
»Was gibt's denn?« plärrte nebenan die Stimme Cañamels, den der Lärm erschreckte. »Was geht dort vor?«
Der Arzt, der sich gerade zur Untersuchung bei ihm befand, trat aus dem Krankenzimmer, und mit Unterstützung von Samarucas Neffen gelang es ihm, die beiden Frauen zu trennen, wobei er selbst gehörig zerkratzt wurde. An der Tür drängten sich die Nachbarinnen. Sie bewunderten die blinde Erbitterung, mit der die Frauen kämpften, und lobten den Mut der kleinen Blonden, die Tränen vergoß, weil sie sich nicht weiter »Luft machen« konnte.
Samaruca floh, mit ihr der Neffe. Die Haustür wurde verschlossen, und Neleta betrat, die Haare zerwühlt und rote Nagelspuren im Gesicht, das Zimmer ihres Mannes.
Cañamel war eine Ruine. Das Ödem breitete sich, wie der Arzt sagte, jetzt auch im Bauch aus; die Lippen zeigten die fahlblaue Färbung eines Leichnams. Er wirkte noch riesiger, wie er, den Kopf zwischen die Schultern eingezogen, im Sessel saß, das Opfer einer
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