Sumpffieber
von Cañamel viel hatte erdulden müssen, hielt sich jetzt schadlos, indem sie Tonet ihre Macht fühlen ließ.
Der arme Teufel, noch ganz betäubt von der Schnelligkeit, mit der der Tod alles regelt, vermochte sein Glück, ohne Furcht vor einem plötzlichen Auftauchen des gereizten Schankwirts in der Taverne weilen zu können, noch nicht recht zu fassen. Angesichts des Reichtums, über den Neleta als Alleinherrin verfügte, zeigte sich Tonet gefügig für alle ihre Wünsche.
Sie bewachte ihn mit einer rauhen Zärtlichkeit, die der Strenge einer Mutter glich.
»Trink nicht mehr!« entschied sie, wenn Tonet auf Sangoneras Betreiben neue Gläser am Schanktisch zu bestellen sich erdreistete.
Und der Enkel des alten Paloma verzichtete gehorsam wie ein Kind auf weitere Getränke und blieb ruhig auf seinem Platz sitzen, von den Stammgästen mit Zuvorkommenheit behandelt, denn allen schien es eine Selbstverständlichkeit, daß nach Ablauf der gesetzlichen Trauerzeit der Kubaner die Herrin des Hauses heiraten und als rechtmäßiger Besitzer hinter dem Schanktisch stehen würde, den er so oft als Liebhaber übersprungen hatte.
Die einzigen, die nicht an diese Lösung glaubten, waren Samaruca und ihr Anhang.
»Neleta heiraten? ... Das wird sie nicht tun, dessen bin ich gewiß! DiesesFrauchen mit der flötenden Stimme ist zu verderbt, um zu handeln, wie Gott es befiehlt. Ehe sie das Opfer bringt, uns das abzutreten, was uns von Rechts wegen ohnehin gehört, wird sie lieber mit dem Kubaner heimlich zusammenleben. Übrigens nichts Neues für sie ... der arme Cañamel hat schlimmere Sachen vor seinem Tode erlebt!«
Angespornt durch das Testament, das ihnen die Möglichkeit zum Reichwerden bot, wie auch durch die Überzeugung, daß Neleta ihnen den Weg nie mittels einer Heirat ebnen würde, umgaben Samaruca und ihre Gefolgschaft das Liebespaar mit einem Netz sorgfältigster Spionage.
Jede Nacht stand das schreckliche Weib, in ihren Manton gehüllt, auf der Lauer, um festzustellen, ob sich Tonet bei Schluß der Taverne unter den Heimkehrenden befand.
Manchmal schlich sie auch Sangonera nach, der unsicheren Schrittes seiner Hütte zustrebte und jählings Samaruca wie einen Geist aus der Dunkelheit auftauchen sah.
»Wo ist Tonet?«
Der Vagabund, ihre Absichten erratend, grinste spöttisch. Ihm mit so etwas zu kommen! Und seine Hände ausbreitend, als wollte er die ganze Albufera umfassen, antwortete er:
»Tonet? ... Dort ... dort – irgendwo auf der Welt!«
In ihren Nachforschungen war Samaruca unermüdlich. Bevor der Tag anbrach, stand sie schon vor Palomas Hütte, und sobald sich Borda zeigte, begann sie eine Unterhaltung mit dem jungen Mädchen, wobei ihre Augen durch die offenstehende Tür das Innere des Häuschens nach Tonet durchsuchten.
Bald war der schönen Wirtin unversöhnliche Feindin auch sicher, daß der junge Mann nachts in der Taverne blieb. Was für ein Skandal! So kurze Zeit nach Cañamels Tode!
Aber sie mußte gültige Beweise haben, und so legte sie sich ganze Nächte lang in der Nähe der Taverne in Hinterhalt, von einigen Verwandten begleitet, die ihr als Zeugen dienen sollten. Immer hoffte sie Tonet vor Tagesanbruch herauskommen zu sehen! Doch die Türen der Taverne öffneten sich während der Dauer der Nacht nicht ein einziges Mal; dunkel und still lag das Haus, als schliefen dort drinnen alle den Schlaf der Unschuld. Am anderen Morgen sah man Neleta ruhig, lächelnd, frisch hinter der Theke, allen geradeaus ins Auge sehend wie jemand, der sich nichts vorzuwerfenhat. Und erst viel, viel später erschien Tonet, wie durch Zauberei, ohne daß irgendein Gast mit Sicherheit gewußt hätte, ob er durch die Tür zur Dorfstraße oder durch die zum Kanal eingetreten war. Sehr schwierig, dieses Paar zu ertappen! Samaruca verzweifelte, da sie Neletas Verschlagenheit erkannte. Um jede Indiskretion zu vereiteln, hatte die Witwe ihre Magd entlassen und durch ihre Tante ersetzt, diese willenlose, ergebene Alte, die dem Temperament ihrer reichen Nichte einen mit Furcht gemischten Respekt entgegenbrachte.
Don Miguel, dem die dunklen Machenschaften der Samaruca zu Ohren gekommen waren, nahm sich den Kubaner mehr als einmal vor.
»Ihr müßt heiraten«, drängte er. »Jeden Tag könnt ihr von der anderen im Testament erwähnten Partei überrascht werden, und dann gibt es einen Skandal, von dem die ganze Albufera reden wird. Wenn auch Neleta einen Teil der Erbschaft herausgeben muß, ist es trotzdem nicht besser,
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