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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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einen solch unbeugsamen Willen, daß Tonet nichts zu erwidern wagte. Dieser Bursche, dessen Streben immer dahin ging, durch seine Bravour das ganze Dorf einzuschüchtern, duckte sich vor Neleta, um so mehr, da er sich ihrer Liebe nicht mehr so sicher wußte wie im Anfang. Nicht, daß die schöne Witwe seiner überdrüssig geworden wäre, aber ihr Wohlstand gab ihr ein großes Übergewicht. Zudem hatte mit der Gewohnheit, sich während der langen Winternächte in der festverschlossenen Taverne anzugehören, nach und nach für sie das Aufreizende der Gefahr sich verflüchtigt, die mit Angst gepaarte Wollust, die sie zu Lebzeiten Cañamels auskostete, wenn sie sich – stets einer Überraschung gewärtig – hinter den Türen küßten oder außerhalb Palmars heimlich trafen.
    Schon vier Monate währte dieses beinahe eheliche Leben, ohne andere Störung als die unschwer zu vereitelnde Überwachung Samarucas, als ein Ereignis eintrat, das Tonet für einen Augenblick die Verwirklichung seiner Wünsche vorgaukelte. Neleta sah nachdenklich und ernst aus. Die senkrechte Falte, die ihre Stirn zwischen den Augenbrauen furchte, deutete unfrohe Gedanken an. Unter den nichtigsten Vorwänden schalt sie mit Tonet, beschimpfte ihn, stieß ihn von sich, beklagte ihre verhängnisvolle Liebe und verfluchte die Stunde der Schwäche, in der sie sich ihm gegeben hatte. Dann wieder fiel sie, von Sinnenlust getrieben, ihrem Geliebten in die Arme und überließ sich ihm rückhaltlos.
    Ihre wechselnde Laune und ihre Nervosität machten die Liebesnächte zu Stunden erregter Auseinandersetzungen – Zärtlichkeiten wechselten ab mit bitteren Vorwürfen, und es fehlte wenig, daß der Mund, der eben noch küßte, gebissen hätte. Endlich enthüllte ihm Neleta mit zornigen Worten ihr Geheimnis.
    »Ich habe bisher geschwiegen, weil ich immer noch an meinem Unglück zweifelte ... doch jetzt, nach zwei Monaten geduldiger Beobachtung, bin ich sicher ... Ich werde Mutter...«
    Tonet erschrak. Aber gleichzeitig fühlte er eine gewisse Genugtuung.
    »Was hätte mich das zu Cañamels Lebzeiten geschert? Welche Gefahr lief ichdamals?« fuhr sie erbittert fort. »Der Teufel jedoch, der seine Hand im Spiele haben muß, zieht vor, es gerade jetzt passieren zu lassen, da ich alles Interesse habe, unsere Liebe geheimzuhalten!«
    Als Tonet sich von der ersten Überraschung erholt hatte, fragte er sie schüchtern, was sie zu tun gedächte, und das leichte Zittern in der Stimme ihres Geliebten offenbarte Neleta seine geheimen Gedanken. Sie brach in ein Lachen aus, in ein lautes hohnvolles Lachen.
    »Ha, ha! Schon glaubst du, daß ich dich deswegen heiraten werde! Deswegen?... Da kennst du mich nicht. Heiraten! ... Für alles auf der Welt gibt es ein Mittel!«
    Nach diesem Wutausbruch über den Schabernack, den sich die Natur mit ihr erlaubte, sie überrumpelnd, als sie sich vollkommen in Sicherheit dünkte, wurde Neleta wieder sanfter, und beide setzten ihr bisheriges Leben fort, als hätte sich nichts ereignet. Hinfort vermieden sie jede Anspielung auf die Schwierigkeit, die sich vor ihnen auftürmte; sie gewöhnten sich daran – ruhig, da die Lösung noch in weiter Ferne schwebte – und vertrauten auf irgendeinen unverhofften Umstand, der sie retten könnte.
    Ohne es ihrem Liebsten gegenüber zu erwähnen, suchte Neleta sich dieses neuen Lebens zu entledigen, das sie wie eine Drohung in ihrem Schöße pochen fühlte.
    Die ins Vertrauen gezogene Tante faselte von allmächtigen Medizinen, von denen sie gehört hatte, wenn ihre Freundinnen die vielen Geburten in den armen Familien bekrittelten. Auf Verlangen ihrer Nichte fuhr sie, um verschiedene weise Frauen zu konsultieren, deren obskurer Name sich bei der Hefe des Volkes großer Berühmtheit erfreute, nach Ruzafa, ja sogar nach Valencia, von wo sie mit seltsamen, aus widerwärtigen Stoffen zusammengebrauten Mixturen zurückkehrte, die den Magen umstülpten.
    Oftmals entdeckte Tonet auf dem Körper seiner Geliebten übelriechende Pflaster, auf die Neleta fest baute, Breiumschläge aus allerhand Waldpflanzen und Kräutern, die ihre Schäferstunden in einen Brodem von Hexerei hüllten. Aber alle Mittel erwiesen sich als unwirksam. Die Monate vergingen, und Neleta überzeugte sich verzweifelnd von der Nutzlosigkeit ihrer Anstrengungen.
    »Das Kindchen hat sich zu fest angeklammert«, seufzte sorgenvoll die Tante. Stürmische Nächte kamen; es schien, als rächte sich ein wiederauferstandener Cañamel damit, einen

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