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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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verzweifelt beim Auskleiden und warf sich, das Gesicht nach unten, aufs Bett.
    Vor ihr reckte sich ein drohendes Gespenst. Und wenn das Kind nicht tot zur Welt kam? ... Neleta war dessen nur zu sicher – sie fühlte, wie es sich in ihrem Innern mit einer Kraft bewegte, daß ihre sündhafte Hoffnung in Nichts zerfloß.
    Die Rebellion der Habgierigen, die unfähig ist, ihren Fehltritt zum Schaden ihres Vermögens zu bekennen, ließ in ihr den verwegenen Entschluß der großen Verbrecher reifen.
    »Tonet, unmöglich können wir das Kind einer Frau in irgendeinem entlegenenDorf der Albufera in Pflege geben. Wir müßten ständig unbedachtsame Äußerungen der Amme fürchten, dann aber auch die Verschlagenheit unserer Feinde, ja, möglicherweise unsere eigene Unvorsichtigkeit . . . vielleicht würden wir das Kleine liebgewinnen und so uns selbst eines Tages die Entdeckung verdanken.«
    Neleta überlegte, den Blick auf die aufgestapelten Reissäcke geheftet, mit grauenerregender Kaltblütigkeit.
    »Ebensowenig dürfen wir daran denken, das Kind in Valencia zu verbergen. Wenn Samaruca einmal auf der Spur ist, wird sie die Wahrheit selbst in der Hölle suchen!«
    Die Wirtin wandte die grünen Augen, denen die körperliche Qual und das Bewußtsein der Gefahr einen halbirren Ausdruck gaben, nach ihrem Geliebten.
    »Wir müssen das Kind sofort nach seiner Geburt aussetzen«, fuhr sie fort, »auf jeden Fall! ... Hab' Mut! In der Gefahr erkennt man den Mann. Du bringst es nachts nach Valencia und läßt es da in einer Straße, an einer Kirchentür, irgendwo. Valencia ist groß... Da soll einer erraten, wer die Eltern sind!«
    Nachdem sie das Verbrechen vorgeschlagen hatte, suchte die unerbittliche Frau nach Entschuldigungen für ihre Grausamkeit.
    »Kann man wissen, ob es nicht ein Glück für das Kind ist, daß wir es aussetzen? Wenn es stirbt, so ist's für alle das beste. Und wenn es am Leben bleibt – wer weiß, in welche Hände es fällt! Vielleicht erwartet es Reichtum – erstaunlichere Dinge hat es doch schon gegeben!«
    Und als Bekräftigung ihrer Worte frischte sie die Geschichten aus ihrer Kindheit wieder auf, in denen im Wald ausgesetzte Bankerte von Schäferinnen, anstatt durch die Wölfe zerrissen zu werden, zu Glanz und Macht aufstiegen. Tonet hörte sie voller Entsetzen an. Er versuchte sich aufzulehnen, aber Neletas Blick lähmte seinen stets zu schwachen Willen. Auch fühlte er selbst wieder den Stich der Habgier: Teilen? Neletas Vermögen den Feinden ausliefern?... In seiner Ratlosigkeit schloß er die Augen und vertraute der Zukunft.
    »Nur nicht verzweifeln, Neleta! Ich werde schon alles in Ordnung bringen, Es kann ja im letzten Moment noch irgendeine Hilfe nahen.«
    Er genoß die momentane Ruhe, ließ die Tage kommen und gehen, ohne noch weiter an die verbrecherische Absicht zu denken.
    Die Taverne war jetzt sein einziges Heim. Der Vater hatte mit ihm nach einem kurzen, schmerzlichen Wortwechsel gebrochen.
    »Was du tust, Tonet, entehrt die Palomas. Ich kann nicht dulden, daß ein Mann, der auf Kosten einer Frau lebt, ohne mit ihr verheiratet zu sein, sich mein Sohn nennt. Wenn du uns nicht in unserer Arbeit unterstützen willst, wenn du die Schande vorziehst – deine Sache! Aber wir kennen uns nicht mehr. Den Vater hast du verloren!«
     
    Die Zeit der großen Jagden, der Feste von Saler, war gekommen.
    In allen Zusammenkünften der Kahnfischer sprach man mit Begeisterung von der außergewöhnlichen Menge Federwild, die es in der Albufera gab. Die Jagdhüter, die von fern die Röhrichtinseln beobachteten, an denen sich die Krickenten sammelten, berichteten, wie ihre Zahl rapide zunahm. Große schwarze Flecken bildeten sie auf dem Wasser. Kam ein Boot in ihrer Nähe vorbei, so hoben sie die Flügel und flogen in dreieckigem Schwärm ein wenig weiter, um sich von neuem wie eine Wolke von Heuschrecken niederzulassen, hypnotisiert von dem Gefunkel des Sees und unfähig, diese blinkenden Wasser aufzugeben, wo der Tod sie erwartete.
    Die Nachricht von den glänzenden Jagdaussichten hatte sich in der ganzen Provinz verbreitet, so daß man auf eine stärkere Beteiligung als sonst rechnete.
    Die große Jagd in der Albufera setzte alle valencianischen Flinten in Bewegung. Es waren uralte Feste, über deren Entstehen der alte Paloma sich informiert hatte, als die Archive der Fischereigenossenschaft sich in seinem Gewahrsam befanden.
    »Als die Albufera den Königen von Aragon gehörte und nur die Monarchen hier

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