Sumpffieber
Lederfutteral mit der Flinte zur Schau trugen, sah man auch reiche Bauern aus den Provinzdörfern in bunten Mantas, die Patronentasche am Gürtel, alle aber mit einem Tuch um den Kopf. Teils trugen sie es in Form einer Mitra, teils zu einem Turban zusammengerollt; und wieder andere ließen die Zipfel lang auf den Hals herunterflattern, so daß jeder durch seinen Kopfschmuck den valencianischen Winkel kundgab, aus dem er gekommen.
Die Waffe machte alle Schützen gleich. Sie schwatzten von dem englischen Pulver, von den belgischen Flinten, von den Vorzügen der hahnlosen Jagdgewehre und schwelgten mit der Wildheit der Mauren in der Vorfreude des Pulverrauchs. Ihre Hunde, große, kluge Tiere, gingen von Gruppe zu Gruppe, schnüffelten an den Händen und Hosen der Jäger, um dann unbeweglich neben ihren Herren zu verharren. Eifrig, wie es sich für Festtage gebührt,bei denen man den Lebensunterhalt für einen Teil des Jahres verdient, kochten und brieten derweile die Frauen in den Hütten, die sich sämtlich in Herbergen verwandelt hatten.
Tonet war bis zum »Hause der Infanten« gekommen, einem einstöckigen Gebäude aus Stein, dessen hohes Ziegeldach mehrere Luken durchbrachen. Seitdem die Jäger aus königlichem Geblüt die Albufera nicht mehr aufsuchten, zerfiel dieser Bau aus dem XVIII. Jahrhundert langsam und wurde augenblicklich sogar als Taverne benützt. Schräg gegenüber stand die »Demaná«, mit ihren zwei Stockwerken wie ein Gigant die Hütten überragend, gekrönt von einem Turm, dessen Glocke die Jäger zur Sitzung rief.
Hier trat Tonet ein und warf einen Blick in den unteren Saal, wo die Feierlichkeit stattfinden sollte. Das trübe Licht einer riesigen Laterne blinzelte über den Tisch und die Sessel auf dem Podium, das ein eisernes Gitter vom übrigen Raum abtrennte.
Mitten im Saal scherzte der alte Paloma mit einer Schar fanatischer Liebhaber der Albufera, die ihm seit einem halben Jahrhundert bekannt waren. Eine Aristokratie der Flinte: Reiche und Arme, Großgrundbesitzer, städtische Metzger und kleine Bauern. Sie sahen sich weder den Rest des Jahres, noch suchten sie irgendeinen Verkehr miteinander – trafen sie sich aber hier gelegentlich der großen Jagden, so herrschte unter ihnen eine brüderliche Kameradschaft; sie boten sich Tabak an, halfen sich mit Patronen aus und lauschten, ohne mit der Wimper zu zucken, wenn einer von ihnen ganz wunderbare Jagderlebnisse zum besten gab, die er während des Sommers in den Bergen erlebt haben wollte.
Die Unterhaltung wurde durch das Kommen der Bootsführer unterbrochen, die ihre Jagdherren zum Abendessen abholten. In kleinen Gruppen verließen sie den Saal, um sich hier und dort auf die Hütten zu verteilen, deren Herdfeuer das rote Viereck ihrer Tür auf die Dorfstraße zeichnete.
Die Jäger, aus Angst vor Fieber dem Wasser der Albufera nicht trauend, führten ganze Ladungen von Absinth und Rum mit sich, und sobald die Flaschen entkorkt wurden, durchzog die Luft das scharfe Aroma der Schnäpse.
Noch im Saal hatte der alte Paloma Tonet seinem Jagdherrn vorgestellt. Der korpulente Herr mit der gutmütigen, friedlichen Miene war ein Industrieller aus Valencia, der nach einem Leben der Arbeit es an der Zeit hielt, sich wie ein reicher Mann zu vergnügen. Seine Ausrüstung – Jagdtasche, Flinte, hoheWasserstiefel, alles funkelnagelneu – schien ihn zu belästigen. Aber wenn sein Blick auf den Patronengurt fiel, der als Bandelier quer über seine Brust hing, lächelte er sanft unter dem enormen Filzhut und verglich sich in Gedanken mit berühmten Wildwesthelden der illustrierten Zeitschriften. Da er zum erstenmal auf dem See jagte, verließ er sich auf Tonets Erfahrung und bat ihn, beim Aufruf einen guten Platz zu wählen.
Alle drei aßen mit Freunden des dicken Valencianers in derselben Hütte zu Abend. Es ging laut zu, wie immer bei solchen Gelegenheiten. Der Rum wurde aus Wassergläsern getrunken, und um den Tisch herum standen wie hungrige Hunde die Einheimischen, lachten über die Witze der Herren, schluckten gierig, was man ihnen anbot, und tranken jeder für sich allein eine Ration, von der die Jäger geglaubt hatten, daß sie für alle ausreichte.
Tonet rührte das Essen kaum an. Wie in einem Traum hörte er das Schreien der Dörfler und den lustigen Widerspruch, mit dem sie das Jägerlatein ihrer Gäste aufnahmen. Er dachte an Neleta, sah sie sich in dumpfem Stöhnen auf dem Boden des Schlafzimmers krümmen, ohne zur Erleichterung ihrer
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