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Sumpffieber

Sumpffieber

Titel: Sumpffieber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vicente Blasco Ibañez
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Pein schreien zu dürfen.
    Es läutete vom Turm der Demaná, dünn und zitternd wie das Glöckchen eines Eremiten.
    »Zweimal«, sagte der alte Paloma, der andächtig die Anzahl der Schläge zählte, denn lieber hätte er eine Messe versäumt, als daß er zur Sitzung zu spät gekommen wäre.
    Beim dritten Läuten sprang alles auf und eilte zum Saal, wo das Licht der Laterne inzwischen durch zwei Lampen auf der Estrade noch vermehrt worden war.
    Hinter dem Gitter saßen die Pächter der Albufera, zwischen ihnen und der rückwärtigen Wand die lebenslänglich abonnierten Jäger, die allein das Recht auf diesen Ehrenplatz zu beanspruchen hatten. Jenseits des Gitters drängten sich bis auf die Straße hinaus die Bootsführer, die weniger bemittelten Jäger und all das kleine Volk, das die Jagden herbeilockte. Ein Geruch von feuchter Wolle, Branntwein und billigem Tabak schwebte über der Versammlung. Aus dem Dunkel, um das die große, weitgeöffnete Tür ihren Rahmen spannte, hoben sich Flecken von unbestimmter Färbung ab. die hellen Fassaden der benachbarten Hütten.
    Trotz der Überfüllung im Saal störte nichts das Schweigen, dessen sich jeder befleißigte, sobald er die Schwelle überschritt. Wenn jemand ein paar Wortefallen ließ, so tat er es leise, zaghaft flüsternd wie in einem Krankenzimmer.
    Der Hauptpächter erhob sich:
    »Caballeros ...«
    Es wurde noch stiller. Die Wahl begann.
    Zu beiden Seiten des Tisches standen – Herolde der Macht des Sees – feierlich und starr die beiden ältesten Jagdhüter der Albufera, zwei dürre, sonnenverbrannte Männer. Einer von ihnen rief jetzt die Liste auf, um festzustellen, ob sämtliche Stände bei der morgigen Jagd besetzt sein würden.
    »Der Eins! ... Der Zwei! ...«
    Nach der Höhe ihrer jährlichen Zahlungen und nach ihrer Anciennität waren alle in diese Liste eingereiht. Die Bootsführer, die die Zahl ihres Jagdherrn aufrufen hörten, antworteten für diesen:
    »Weiter!«
    Nunmehr kam der große Moment, die »Demaná«, die Forderung des Standorts, die jeder Bootsführer im Einverständnis mit seinem Jagdherrn oder nur auf Grund eigener Erfahrung abgab.
    »Der Drei!« sagte einer der Jagdhüter.
    Und sofort nannte der Inhaber dieser Zahl den Platz, den er sich erwählt hatte. »Das Dickicht Gottes« ... »Die verfaulte Barke« ... »Der Winkel der Antina!« So vernahm man alle die Namen dieser bizarren Geographie der Albufera, und manchmal waren es gar derbe Bezeichnungen, mit denen die Laune der Fischer die verschiedenen Stellen des Sees belegt hatten. Aber wer hätte hier über sie zu lächeln gewagt? ...
    Sobald der zweite Jagdhüter, dessen Stimme wie eine Posaune schmetterte, den Namen des Reviers vernommen hatte, warf er seinen Kopf hoch, um mit geschlossenen Augen, die Hände auf das Gitter gestützt, in die Nacht hinauszubrüllen:
    »Der Drei geht zum Dickicht Gottes ... Der Vier geht zur Ecke des Heiligen Rochus ... Der Fünf zum Kack des Barbiers.«
    Eine Stunde dauerte die Verteilung, die ein Junge, die Leuchte der Dorfschule, in ein großes Buch eintrug.
    Hieran schloß sich die Erteilung der Jagderlaubnis an die kleinen Leute, denen eine Zahlung von zwei Duros das Recht gab, den ganzen See – allerdings in gewisser Entfernung von den Standorten der Reichen – zu befahren und alles, was deren Flinten entkam, abzuschießen.
    Mit Händedruck verabschiedeten sich die Jäger. Manche, die erst beimMorgengrauen ihre Plätze aufsuchen wollten, verbrachten die Nacht in Saler, während die Heißsporne sofort zum See aufbrachen, um persönlich das Aufstellen der enormen Bütte zu beaufsichtigen, die sie am morgigen Tage beherbergen würde.
    Tonet befand sich schon nicht mehr in Saler. In dem tiefen Schweigen der Demaná hatte ihn eine entsetzliche Angst ergriffen, Angst um Neleta, der niemand zur Seite stand. Unauffällig war er aus dem Saal geschlichen, entschlossen, unverzüglich nach Palmar zurückzukehren, mochte es darob zu noch so erbitterten Auseinandersetzungen mit dem Großvater kommen.
    Nahe beim Haus der Infanten rief in dem Dunkel der Nacht jemand seinen Namen ... Sangonera! Ein hungriger und durstiger Sangonera, der vergeblich die Tische der reichen Jäger umkreist hatte. Alles verschlangen die scharfen Zähne der Dörfler!
    Tonet durchzuckte eine Idee. Konnte er sich nicht durch Sangonera vertreten lassen? ... Aber dieser Sohn des Sees geriet außer sich darüber, daß man ihm vorschlug, ein Boot zu führen, was ihn schlimmer dünkte, als

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