Sumpffieber
jagen durften«, erzählte er beim Wein seinen Freunden, »wollte der König Don Martin den Bürgern von Valencia einen Festtag gewähren und bestimmte als solchen den Tag seines Namenspatrons. Jedermann durfte sich an diesem Tage auf dem See tummeln, um mit der Armbrust das Federvieh zu erlegen.«
Dieses Privileg hatte sich Jahrhunderte hindurch erhalten. Heute jedoch gab es vor dem Abschuß zwei Tage, an denen man von den Pächtern des Sees das Recht kaufen konnte, sich einen Platz nach Belieben zu erwählen. Und aus allen Städten und Dörfern der Provinz, ja selbst aus Madrid, eilten die Jäger herbei.
Es fehlte sowohl an Booten wie an Bootsführern. Der alte Paloma, allen Nimrods durch Jahre bekannt, wußte nicht, wie er die vielen Begehren zufriedenstellen sollte. Er selbst war seit langer Zeit von einem reichen Herrn verpflichtet, der die Erfahrung des Alten und seine Kenntnis der Albufera generös bezahlte. Nichtsdestoweniger wandten sich auch andere Jäger an diesen Patriarchen der Kahnfischer, und der Greis rannte kreuz und quer auf der Suche nach Fahrzeugen und Führern für alle, die ihm von Valencia schrieben.
Am Tage vor der Jagd sah Tonet seinen Großvater die Taverne betreten und auf sich zukommen.
»Hör, Tonet! Dieses Jahr wird es in der Albufera mehr Flinten als Vögel geben. Und jetzt, nachdem alle Fischer von Saler, Catarroja und Palmar engagiert sind, bittet mich ein alter Gönner, dem ich nichts abschlagen kann, für einen seiner Freunde, der zum erstenmal an der Jagd teilnimmt, um ein Boot mit Führer. Willst du den Posten übernehmen und mir dadurch aus einer großen Verlegenheit helfen?«
»Nein!« sagte der Kubaner kurz.
Neleta hatte vormittags den Schanktisch verlassen müssen, weil sie die Schmerzen nicht zu ertragen vermochte. Vielleicht konnte der so gefürchtete Augenblick sehr schnell eintreten – wie durfte er also daran denken, die Taverne zu verlassen?
Der Alte aber faßte diese lakonische Weigerung als ein Zeichen von Mißachtung auf. Wütend tobte er los:
»Weil du jetzt reich bist, erlaubst du dir, deinen armen Großvater wie Dreck zu behandeln? ... Alles habe ich geduldet, selbst deine unverschämte Faulheit beim Fang in der Sequiota! Und zu deinen Beziehungen zu Neleta, die den Ruf der Familie schädigen, machte ich die Augen zu! ... Aber mich in der Klemme sitzenlassen, wo es sich um eine Ehrensache handelt! Cristo! Was sollen meine Freunde in Valencia sagen, wenn ich, den sie als Herrn der Albufera ansehen, ihnen nicht einen einzelnen Mann stellen kann? ...«
Seine Niedergeschlagenheit spiegelte sich so deutlich in den alten verwitterten Zügen, daß Tonet Reue empfand. Ihm bei den großen Jagden die Hilfe verweigern, bedeutete für Paloma eine Verhöhnung seines Prestiges und gleichzeitig etwas wie Verrat gegen dieses Land von Schilf und Schlamm, wo sie beide geboren waren.
Resigniert gab der Kubaner nach. Ein wenig tröstete ihn der Gedanke, daßmöglicherweise Neleta auch dieses Mal, wie schon häufiger in der letzten Zeit, nur durch vermeintliche Wehen alarmiert wurde.
Beim Einbruch der Nacht langte Tonet in Saler an, um als Bootsführer pflichtgemäß an der Seite seines Jagdherrn der Sitzung beizuwohnen, in der die Plätze zur Verteilung kamen.
Das Dorf Saler, in ziemlicher Entfernung vom See am Ende eines Kanals gelegen, zeigte außergewöhnliches Leben.
In der kleinen Bucht des Kanals, die man den Hafen nannte, lagen zu Dutzenden die schwarzen Fahrzeuge, so dicht gedrängt, daß die dünnen Bordwände knirschend aneinanderscheuerten. Sie bebten unter der Last der riesigen Holzbütten, die am nächsten Tage auf den schon im See eingerammten Pfählen befestigt werden sollten. In diesen Trögen versteckt, lauerten die Jäger auf ihr Wild.
Zwischen den Häusern von Saler hatten wackere Mädchen aus Valencia ihre mit gerösteten Kichererbsen und schimmeligem Mandelkuchen beladenen Tische aufgestellt, über die Kerzen in bunten Papiertüten ihr Licht ergossen, während die Frauen des Dorfs an den Türen der niedrigen Hütten mit dampfenden Kannen hantierten, um »Kaffee mit Schuß« zu verkaufen, bei dem der Rum meist vorherrschte.
Ein ungeheures Menschengewühl verstopfte die Straßen, und jeden Augenblick brachten Wagen und Kutschen noch Nachzügler aus der Stadt. Außer Bürgern Valencias – wie Cowboys in hohen Gamaschen und breitkrempigen Filzhüten –, die sich wichtig in einer Bluse mit zahlreichen Taschen blähten und voller Stolz das gelbe
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