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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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leiser erschienen. Und zunahm das Prasseln Feuers und Regens.
    Da entstand aber, noch bevor er entkräftet einschlief, Welt hinter ihm. Und ward kleinste Welt eingenistet, geboren hinter ihm, in der Enge zwischen den Rücken.
    Denn unbeständig und heiß fühlte Joseph im Rücken das Bild, als sei es vom Fieber des Jesus entzündet, des verletzten, und sei vom Rücken des andern übergesprungen auf ihn.
    Denn da trug Joseph – er sah’s, das Bild – nochmals die Frau auf dem Rücken. Trug Maria zum ersten Mal.
    Und sah sich selbst, wie er sie trug, von der Zisterne her die Wiese herab, nazaretwärts. Sah die Rückengetragene erst wachend getragen, dann schlafend seinem Rücken anliegen.
    Und sah sich ankündigen ihre Ankunft, sah sie erwachen, erwacht.
    Da lud er sie ab und wandte sich um nach ihr.
    Und sah sie vor sich stehen: Da stand eine andere und war doch dieselbe.
    Und Joseph fühlte und bestrich ihre Haut.
    Schwarz wie Kohle war da ihr Körper. Und war weißumglüht das Blau ihrer Augen. Und beide ihm aufgetan, fremd, wie aus größter Ferne zu ihm gekommen. Und doch war sie vertraut, wie vom Anfang der Zeit her vertraut, beschert, ihm bestimmt, diese Frau.
    Bestimmt dazu, sich einst vor ihn zu stellen. Aus seinem Rücken heraus vor ihn zu treten, daß Joseph sehe die Joseph von jeher im Rücken getragen, die Frau. Und daß sie ihm von heute an weise den Weg, der ihm bestimmt war, ihn begleite hinab und hinauf, diese Frau.
    So träumte Joseph und so sah er’s im Traum.
    Denn im Engraum zwischen den Rücken – seines und des verletzten Jesus – sah Joseph entstehen die Welt im Rücken, die war diese schwarze Frau, geboren aus der Fieberwunde des Jesus, empfangen im Gefäß zwischen den Rücken. Und sie stellte sich aus Josephs Rücken heraus zum ersten Mal vor ihn hin, ihn zu führen den Weg durch die Einsamkeit, die ihm bestimmt war.
    Da erkannte Joseph wieder die Frau, die er lange schon rückengetragen, ohne’s zu wissen. Denn er wußte nicht, daß sie von jeher bei ihm gewesen, hatte sie nie gesehen.
    Aber gerufen nach ihr hatte er, doch gerufen. Vierzehn Jahre war’s her, in der Nacht nach der Flucht aus Nazaret. Und daran erinnerte Joseph sich jetzt, da sie vor ihm stand jetzt.
    Erinnerte sich, wie er, vierzehn Jahre war’s her, im Traum hing am Seil, das erste Ragebild eines vergessenen Tempels riesiger Ausmaße vor sich, das erste von vielen, die hinabwärts dann folgten.
    Und erinnerte sich: So grenzenlos unermeßlich war der vergessene Tempel, daß er Joseph das Leben selbst zu sein schien, das unter ihm hin sich erstreckte.
    Und erinnerte sich, daß die Dunkelheit und die Einsamkeit unter ihm damals so schmerzlich erschien, daß er aufgeschrien hatte nach ihr, nach der Frau.
    Und erinnerte sich, daß er aufgesehen hatte damals, hinauf.
    Und erinnerte sich, daß er eine sah, die seilte sich zu ihm herab.
    Und erinnerte sich, daß die Frau, nach der er gerufen, nicht Maria war. Denn er erkannte sie nicht, die gerufen schon kam.
    Jetzt aber, jetzt im Traum erkannte er sie, die Fremde, die war vor ihn getreten, die Längstvertraute, die er verzweifelt gerufen und ohne die nicht weiter hinab, nicht tiefer zu gehen wäre hinabwärts im Leben.
    Da war schwarz wie Kohle ihr Körper und war weißumglüht das Blau ihrer Augen. Und schien tief hinab ihm voraus das Licht ihrer Augen, beschien beiden hinabwärts den Weg.
    So war’s, war von jeher gewesen. Aber jetzt erst, jetzt aus dem Rücken erstanden, war’s neue Welt, neue Sicht auf das Leben. Und jetzt erst im Traum so erkannt und Joseph erinnerbar, beim Erwachen bewußt noch.
    Denn Joseph hatte es so erfahren und mir bezeugt, daß er’s so erfahren. Auf daß ich, Neith, ihm Zeugin sei. Wie auch ihr mir werdet Zeugen sein, ihr werdet’s erfahren.
    Solches also hatte geträumt Joseph, Rücken an Rücken mit dem fiebernden Jesus.
    Und Joseph erwachte gefesselt bei Morgengrauen, wachgestoßen von Gemas’ Tritten.
    Denn Dymas befahl ihnen weiterzuziehen. Da hoben sie den Gefangenen unterm Felsenvorsprung hervor, hinaus in den Regen aufs Pferd und banden ihn rittlings wiederum an.
    Und sie weckten auch den Verletzten, den Jesus. Da fand man das Fieber gewichen von ihm.
    Er aber schien ihnen noch schläfrig und schwach. Und weil sie nicht länger säumen wollten, banden sie abermals ihn hinter Joseph aufs Pferd, an Josephs Rücken ihn sichernd.
    Da zog man, als Dymas zum Aufbruch rief, weiter bei anhaltendem Regen.
    Kapitel 70. Der Bericht
    Sobald

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