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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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oben. Und sie flossen herab von den Hängen der Berge ins Meer hier des Grabens.
    Und Joseph sah Blutspur sich verzweigen am Steilhang, sich gießen herab in den Spiegel des Meers. Sah blutiges Rinnsal von den Bergen steigen herab beider Ufer und von überall her stürzen hinabwärts ins Meer, das der Jordan geworden.
    Und wieder blickt Joseph zurück, hinab durch das Leck im Nachen.
    Und sieht jetzt tiefhin sich fortsetzen, bis in Meerestiefen hinab, die Blutstränge, die vielen, die schossen herein und zogen hinabwärts nach unten.
    Woher aber das Blut? fragt er sich.
    Woher kommt, was sich kreuzte, sich querte in Strängen und Bahnen?
    Denn so sah er’s jetzt, klarer und klarer, je länger er sah, je tiefer.
    Und sah abwärtshin drängen das Blut, tiefer und tiefer in Strängen, je tiefer ihn verlangte zu sehen.
    Da weiß Joseph, daß er sieht:
    Alles Blut, das je war vergossen.
    Aus unzählbaren Zeitläuften rinnt es jeher herbei.
    Und von den vier Enden der Welt her strömt es herwärts herab.
    Und durch alles Geschicht hin der Erde, in die es versickert, an allen Felsen und Trümmern vorbei, auf denen bauten die Menschen und auf denen sie hinmordeten Mensch und Getier, sickert es saugend herbei.
    Immer an diesen Ort sich hindrängend.
    Sich zu ergießen, den Graben hinabwärts, ins Blutmeer hinein, das der Jordan geworden.
    Und Joseph sah, daß sich das Blut nicht ins Meer hinvergoß.
    Sondern von Fäden und Seilen getragen, die aufsogen und hielten jeden – noch den kleinsten – der Tropfen, in Strängen hinabfloß zur Tiefe.
    Und die Seile und Fäden und Stränge – die trugen das Blut der Unschuldigen und das Blut der Geopferten und das Blut der Gerichteten und das Blut der im Streit und im Kriege Zerrissenen und das Blut der vom Feinde bedrängten Selbstmörder – kreuzten und querten einander hinabhin.
    Es gingen aber alle, sah Joseph, je länger er sah und aushielt die Tiefe, ob kreuzend, ob querend, aus welcher Richtung herangetragen auch immer, auf einen Punkt zu.
    Den erblickte Joseph, je länger er sah, je tiefer.
    Denn zu diesem Punkte hinab floß alles, was rotaufgefangen hatten die Seile und roteingezogen die Stränge und rothinabwärtsgesogen die Traufen der Fäden.
    Da erkennt Joseph, sehend in tiefste Tiefe durch die Öffnung des Nachens hinab:
    Daß der Punkt, dem zufuhren alle lebendigen Fäden und Stränge und Seile: ein Kasten war.
    Ein gläserner Kasten, wie eine Kammer.
    Und daß darauf ruhten zwei riesige Füße, um die sich banden und schlangen und wanden die Seile und Stränge und rotumsogenen Fäden.
    Da schien es Joseph, als seien es Füße, die standen auf einem Kasten in tiefster Tiefe und waren rotumwunden von Strängen, Seilen und Fäden.
    Und als Joseph nicht mehr sehen konnte und nicht verstand, was er sah, riß er das Holz der Planke aus, die linkshin lag der fehlenden Planken. Und legte die frischgebrochene Planke hinter sich in den Nachen, darin er trieb.
    Und sah, daß kein Wasser eindrang ins Boot.
    Da war erweitert die Sicht, und er beugte sich über die Öffnung und sah.
    Und je länger, je tiefer er sah, je mehr wollte Joseph erspähen.
    Da brach Joseph abermals, links der herausgebrochenen, eine weitere Planke.
    Und bald darauf eine dritte Planke.
    Und zuletzt eine vierte: zu schaffen sich Sicht hinab auf das Bild.
    Und kein Wasser drang ein durch die Öffnung.
    Da aber sah Joseph:
    Erweitert war seine Sicht schier ins Grenzenlose.
    Und Joseph im Nachen erschrak.
    Und es gerät aus den Grenzen sein Entsetzen über das, was er sieht.
    Denn da erkennt Joseph:
    Der kammergleiche Kasten war Urne und Wiege zugleich.
    War knochenbleich glühend.
    Mit Füßen darauf, die rotglühten wie Erz.
    Und die Füße ruhten strängeumwunden, rotseilumschnürt auf dem Kasten.
    Aber Joseph, je tiefer er sah, sah über die Grenzen hinaus alles Gesehenen, über die Grenzen hinaus alles Sehens, und erkennt:
    Der kammergleiche Kasten steht selbst in einer Kammer. Und die Kammer, in der er steht, ist so riesig, daß das Auge hinabblickend sie nicht hatte erfaßt.
    Sondern längst in ihr war, in riesiger Kammer, als das Auge begann, forschend zu ziehen hinab.
    Hinab an den Strängen und Seilen und Fäden.
    Hinab in die Tiefe.
    Denn es war eine Schwitzkammer, in die Joseph hinabsah, Kammer riesiger Ausmaße.
    Und in der Kammer saß einer.
    Dem zuliefen bindend und sich an ihn windend, ihn speisend-besprühend, beträufend, begießend:
    die Stränge und die Seile und die blutführenden

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