Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
dem Stein.
Und die zweite Spur nun, die führte hinein.
Joseph aber stand vor dem Grab und wartete auf den Herrn. Und als der nicht hervorkam nach einiger Zeit, ging Joseph hinein. Denn er dachte: Neiths Herr wird einen Fehler gefunden haben und wartet schon, daß er’s mir zeige.
Und Joseph trat in die Vorkammer und sah ihn nicht dort.
Da trat er hin über die Stufe der Grabkammer, sich beugend unter den Einlaß.
Und sah ihn liegen zur Rechten im Troggrab.
Er lag aber lebendig, als messe er, wie einst darin läge sein Leichnam.
Auf dem Rücken lag er und, als Joseph eintrat, erhob seine Rechte und faßte hin mit der Spitze des Fingers an den steinernen Himmel.
Und zugleich erhob sich und sprach zu Joseph:
›Du hast gut getan, Joseph. Denn du gingst mir voraus und hast vorbereitet.‹
›Und da, als ich erfuhr dieses Wort‹ – sprach Joseph zu mir, berichtend vom Traum jener Stunde vor Morgen –, ›da legte sich um meine Schultern und umschloß mich solch Glück, daß ich stillestand unter dem Wort.
Und stand still, stand ganz still, als fiele sonst ab, was ich fühlte, wenn ich nur einen Schritt weiterginge. Als fiele’s ab wie kostbarstes Tuch, das beim nächsten Schritt mir von Haupt und Schultern schon glitte.
Und doch ging ich schließlich weiter im Glück, zu folgen deinem Herrn, Neith.
Da, als ich hinter ihm her durchs Grab trat hinaus, geblendet vom Licht noch des Tages, hält er mich auf und spricht:
›Du aber bleib hier. Warte auf mich.‹
So blieb ich im Eingang stehen des Grabs. Und sah ihm noch nach.
Er aber wandte sich um nach mir.
Da erkenn ich den Sohn, den ich am Opferberg einst hatte verlassen. Kein Jahr aber älter scheint er mir und ist an Gesicht und Gestalt wie am Tag, als wir zogen zu opfern.
Und er lacht mir zu in der Wende, denn er sieht es mir an:
Erst jetzt erkenne ich ihn.‹
So hatte dem Joseph geträumt, und so hatte er’s mir erzählt.
Und Joseph wußte nicht, warum ihm in der Wende der Sohn war erschienen, wie er damals gewesen.
Und Joseph sprach zu mir:
›Würde ich ihn heute wiedererkennen – nach so vielen Jahren?‹
Und er fragte mich:
›Warum aber dachte ich anfangs im Traum, es sei dein Herr, Neith, der nachsehen wolle, wie weit wir gekommen mit unserer Arbeit? Denn deinem Herrn bin ich nie begegnet. Und doch, fest glaubt ich zu wissen: er ist es.
Und was erfährt man im Traum, wenn man so etwas sicher zu wissen glaubt – wie ich zu wissen glaubte: es ist dein Herr –, und prüft’s dann im Leben und findet: es scheint ohne Grund? Denn ich kenne ihn nicht, deinen Herrn.
Aber was ist das?‹
Da sprach ich zu Joseph:
›Geht’s deinem Traum um ein Kennen nur? Etwa ob du diesen kennst oder nicht? Denn wie du erzählst, ging es vielmehr um das Erkennen, das geschah dir in jenem Moment. In der Wende. Ging doch um jenen Augenblick, da der eine wurde zum anderen:
Im Kommen war er mein Herr, im Gehen ist er dein Sohn.
Was aber, meinst du, ist das für ein übriger Stein, der sich letztlich noch löst in der hinteren Kammer und mit weißer Asche alles besät, daß du liest darin Spur?‹
So aber sprachen wir noch, während ich mit ihnen am Morgen von den Zelten hinabging zum Grab.
Da deutete Joseph auf einen, den er auftauchen sah hinterm Golgotha.
Und es war Phylakos, der eilte zu uns herauf.
Kapitel 110. Die Erkannten
Es war aber nicht der verabredete Tag, an dem Phylakos sonst auf mich gewartet am Teich, Nachricht zu bringen unserem Herrn.
So daß ich in Aufregung geriet, als ich Phylakos zu uns heraufeilen sah, und mich setzen mußte.
Und von neuem begannen die Schmerzen.
Denn ich fürchtete – da bis zur Fertigstellung des Grabs nur wenig zu tun blieb –, Eleazars Schicksal beschworen zu haben, des Freunds meines Herrn, der verstarb, kaum war vollendet sein Grab.
Und fürchtete also, Phylakos eile herauf, zu melden den Tod meines Herrn.
Und atemlos kam Phylakos an, und ich sah: wollte nicht reden vor Joseph.
Da ließ mich Joseph allein mit ihm.
Phylakos aber zog mich auf die Beine zurück und drängte zur Seite, außer Hörweite der andern zu kommen.
Da sah ich Dymas und Gemas. Und Phylakos wartete, bis sie verschwanden im Grab.
Und auch dem Joseph sah Phylakos nach, der trug hinter Gemas die Rückentrage hinein, aufzuladen das Ausgehauene. Und bis Joseph verschwunden war, wartete Phylakos.
Da endlich sprach er zu mir:
›Ein Wunder. Esther, die Herrin, ist zurückgekehrt! Vor drei Tagen kam ihr Bote. Und seit gestern
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