Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
zu rufen ein Toter.
Nirgendwoher hört er Antwort.
Und Joseph wartete.
Niemand kam.
Da kehrte Joseph zurück zur Feuerstelle, wo der Sohn aufgewacht war, die Fesseln an sich entdeckt haben mußte.
Hier! dachte Joseph, hier wird der Gefesselte gewußt haben, wen sich der Vater zum Opfer ersehen.
Und Joseph las die Spuren. Sah vor sich den Unschuldigen, der sich wälzt in den Fesseln, dann hindrängt ans Feuer, wahnsinnig vor Furcht, er könne recht haben, werde recht haben: der Vater hat ihn gefesselt zum Opfer.
Und Joseph sieht die Steine ums Feuer, daran der Sohn aufgerieben hatte die feuergesengten Fesseln.
Da denkt Joseph bei sich: Dann aber wird er, endlich befreit, nach mir gesucht haben, mein Sohn. Und doch, in Angst, versteckte sich bei der Suche.
Denn der Sohn würde ihn gesucht haben, dachte Joseph. Und gehofft haben würde der Sohn, es täusche ihn nur seine Angst. Denn die Fesseln an beiden Händen, die Fesseln an beiden Füßen, der Vater würde sie ihm erklären, ihm lösen das Rätsel vom Wahnsinn seines Gebundenseins. Die Angst würde weichen, wenn er ihn doch nur fände, den Vater. Da schließlich fand er ihn.
Fand ihn oben, ein Stück Wegs hinauf, kniend an einem Altar.
Der Sohn aber wußte nicht, daß – ein Stück Wegs hinauf, außer Sicht – ein Altar schon gebaut war zum Opfer.
Und nun sieht schon geschichtet darauf das Opferholz. Sieht den Vater, das Opfermesser im Griff, betend davor, mit dem Rücken zu ihm.
Da wendet der Vater sich um – und erkennt, wer sich ihm dorthin genähert.
Und der Sohn rennt davon. Flieht im Glauben, der Vater verfolge sein Opfer.
Er hört dessen Rufe und fürchtet sich vor dem Schlächter. Denn der rennt hinter ihm her, das Messer im Griff, den Sohn zu ergreifen.
So las Joseph die Spuren. Und so, dachte er, wird es gesehen haben, der fliehen mußte vor mir, mein Sohn.
Da hört Joseph, der gelangt war an die Stelle, wo aufsprang der Sohn hinterm Stein, um vor ihm zu fliehen:
Geräusch der Raubtiere noch. Die brüllten, als stritten sie sich beim Zerfleischen des Opfers.
Joseph aber war’s, als sei, wo der Reiter gefallen, er selbst gefällt worden.
Als säße dort Gott, wartend, ihn sich als Opfer-Ersatz zu zerreißen.
Kapitel 49. Der Stummgeschlagene
Da rennt Joseph hinab, wahnsinnig vor Schmerz, sich vor die Tiere zu werfen.
Vorzuwerfen IHM sich zum Fraß.
Und als er kommt auf sie zu, sehen Joseph die Löwen.
Aber satt und müde verlassen beide die Stätte. Weichen ihm aus. Und kaum fauchen sie Joseph, der keuchend rasch näher geeilt war, hin zwischen sie.
Und verschwinden im Dunkel hinter den Felsen, als überließen sie anderem Tier nun das Aas.
Da sieht Joseph liegen den aufgerissenen Leichnam des Reiters.
Hingerollt liegt, wenig abseits, vom Rumpf blutig getrennt, dessen Kopf.
Joseph aber geht hin, denn er sieht die aufgerissenen Augen. Will hin, sie zu schließen.
Da, sich hinabbeugend – die Hand ausgestreckt – erkennt er Antlitz und Blick.
Joseph, als stäch ihn tödlicher Stich, fällt seitwärts. Liegend noch schaut er hin, als glaube er’s nicht.
Und kriecht nochmals zurück. Und im Abstand, den er zu diesem Gesicht nur zweimal gehabt, versichert sich Joseph:
Unter brennendem Joch eines Balkens hervor zog ich diesen.
Entkam seinem Messer, mit dem er einstach auf mich im Garten, dreizehn Jahre ist’s her.
Da war es der Aufseher der Knechte, dessen Kopf aufstarrt zu ihm.
Und Joseph sah den Kopf des Mannes gerissen vom Rumpf auf der Höhe etwa der Kehle, in die einst Josephs Beil war gebrochen von vorn, als er ihn stummschlug im Garten.
Kapitel 50. Der Zerrissene
Da war’s Joseph, als schlösse eisern sich hier ein Kreis, langher geplant, der war mit der Befreiung des Sklaven aus den Händen des Aufsehers begonnen.
Als hätte Gott, dem Joseph sich widersetzte, den Kreis hier zugezogen-verschlossen.
Um auszuschließen den Joseph.
Und Joseph dachte bei sich, sprechend: ›Um mich beschlossen hatte ER ihn und längst, diesen Kreis. Ihn zu schließen am Tag, da ich mich weigerte IHM. Abgeschnitten hat Er den Weg heute nacht mir zum Sohn. Und nicht mehr kann ich zurück zu den Meinen. Denn weil ich nicht gab, was nicht mein war, ließ Er mir nichts.‹
Halb betäubt – denn er kann nicht fassen, was zerschmettert nun vor ihm liegt –, steht Joseph auf, wankt.
Stützend sich am Gestein, sieht er ins Halbrund der Felsen eintauchen den Schatten eines Wolfs: den Weg zum Kadaver hin suchend.
Und Joseph wirft nach
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