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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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ihm an: die blutgetränkt und gerissenen Streifen jenes Gewands, das Maria gewoben und das zerrissen nun Joseph.
    Und hinabsehend auf den toten Aufseher, den er mit Josephs Streifen versehn, dachte er fremde Gedanken, die drängten sich her. Kamen nah, starrten in ihn hinein, bald nicht mehr fremd ihm.
    Denn als er sich fragte: Wird der Sohn melden, was er gesehen, wenn er zurückgekehrt ist nach Nazaret? Und: Was wird er melden?, da dachte Joseph bei sich, nackt aus der Hocke aufstehend, um zu besehen die Leiche:
    Was immer der Sohn melden wird und für sich gesehen zu haben glaubt, mein blutig Gewand – wie es jetzt jenem anliegt in Streifen – wird’s überdecken und wird ihm und den andern überstimmen die Zweifel.
    Da sah Joseph, daß er ein Letztes vergessen. Und erinnernd griff er sich an die Hüfte.
    Denn wohl hatte er dem Aufseher abgezogen den Gürtel und den seinen mühsam ihm umgelegt. Beim Zerreißen des Gewands aber hatte er nicht geachtet des Tuchstreifs, den er bei sich trug immer, seit Maria ihn zu sich zurückgerufen, dreizehn Jahre war’s her.
    Und er fand den Streif liegend abseits, nicht am Kadaver.
    Der Streif wird von mir gefallen sein, dachte er, als ich zerriß mein Gewand.
    Und er hockte sich hin und wollte ihn aufheben. Denn sogleich dachte er: Aber das soll mir bleiben, so will ich’s.
    Und er dachte, noch bevor er den Streif anrührte: Da ist es, mein Zeichen des Jona. Auf daß ich Licht hätte unten, sie nie vergäße, von denen Gott mich getrennt.
    Und er hob ihn empor, zu besehen den Streifen im Mondlicht, ob Blut daran gekommen wäre oder ob nicht.
    Und Joseph sah hin, als prüfe er etwas, das er Gott in die Waagschale nachwerfen wollte, seiner Gerechtigkeit halber, als wolle er wägen lassen IHN, was in Worte so übersetzt wäre:
    ›Was uns anzog in Liebe, uns band Mann und Frau, war in Gehorsam gewoben zu DIR. Läßt Du mir dieses noch? Wiegt es?‹
    Und als er’s hielt und prüfte, so gut sein Auge sehen mochte, sah Joseph, was er vergessen hatte – es war nur gering: war gedoppelt versengte Spur.
    Denn kaum hielt er das Tuch unters Mondlicht, sah er die dunklen Male der Stelle, auf die Joseph das Tuch einst gesetzt hatte im Brand, dem Aufseher abzuziehen den flammenerhitzten Armreif.
    Und entdeckte im nächsten Augenblick Blut auch daran. Denn die Finger, mit denen er’s eben noch aufgehoben, waren blutig vom Eintauchen der Streifen ins Blut.
    Und Joseph dachte: ER läßt es mir nicht. Nichts soll mir bleiben. Denn es wiegt nichts vor IHM.
    Da nahm er den Streifen Tuchs und tauchte ihn in die zerrissene linke Hüfte des Toten und schob den Streif unter den Gürtel, den er ihm angezogen, unter einen der Fetzen, die er zerrissen und blutig gelegt hatte dorthin.
    Und er hockte vor dem Kadaver, an den er Hand angelegt, und zitterte.
    Denn er sah: Da liegt Joseph zerrissen.

Die Bücher des Aufstiegs

Viertes Buch. Der Tote
    Kapitel 51. Die Höhlenkluft
    Eben dort hob Joseph auf die Reste des Gewands, die er der Leiche des Aufsehers abgezogen hatte, und trug sie hinüber zur Felsspalte und kroch hinein damit und ließ nichts zurück.
    Und er kniete gebückt im Innern der Kluft. Und grub mit Steinscherbe und Hand, ausscharrend im Boden ein Erdloch.
    Und tastete und maß mit der Hand, bis es tief genug war, und legte hinein den Kopf des Aufsehers, dazu die Reste seines Gewands. Und breitete Erde darüber.
    Sobald aber die Hände nicht mehr gruben und hervorklaubten Erde und Stein und preßten und glätteten und er still kniete gebückt, nackt in der Enge der Kluft, ausstieß den Atem erschöpft, bis er leiser wurde, da begann Joseph wieder zu zittern am Köper, daß es ihn schüttelte.
    Und er legte sich flach, Beruhigung zu finden am Boden.
    Und fand sie nicht, sondern wurde geschüttelt.
    Und stemmte liegend Hände und Füße seitwärts wider die Felswand der Kluft, den Körper zu halten.
    Da, schließlich, schien es, er schlafe ein vor Erschöpfung.
    Aber hinter sich hört er Geräusch, das ihn weckt. Und hastig, noch in der Kluft, rückt er zusammen.
    Schreit, zu vertreiben das Tier.
    Und in der Hocke, gebückt, zwängt er sich um in der Enge der Kluft, schreiend noch, sich ruckend zu wenden zum Eingang.
    Da verstummt sein Schrei.
    Denn am Eingang zeigt sich nur Mondlicht.
    Vorsichtig kriecht er die wenigen Schritte zum Eingang zurück. Glaubt dort zu erkennen Spur noch des Wolfs, den er schreiend vertrieb.
    Da fällt ihm ein, daß auch seine Spuren hierher noch

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