Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
brennenden Ast, den er angelehnt hatte, sah er im Flackerlicht die eigene Hand blutig benetzt. Und sah:
Blutstropfen fallen von seiner Stirn. Die näßten herab frisch auf die Windungen des Seils, da Joseph neigte sein Antlitz zu Boden.
Und als Joseph zur Lagerstelle zurückkehrte zum dritten Mal, fand er den Sohn abermals schlafend.
Und er weckte Jesus, dessen Augen waren voll Schlafs.
Das spricht Joseph zum Schläfrigen:
›Siehe, die Stunde ist da, daß ausgehen wird das Licht dieses Feuers. Und es könnte uns anfallen wildes Getier, das hier umgeht. Laß mich uns binden. Damit einer – aufgeschreckt von irgend Geräusch – sogleich den anderen wecke, schon mit der ersten Bewegung. Und stünden wir auch im Dunkeln, so zöge das Seil doch den einen hin durchs Dunkel zum andern zurück. Und wir blieben verbunden.‹
Der schläfrige Sohn aber fragte Joseph nicht, als er ihm band das Seil um die Rechte und den Knoten festzog überm Gelenk: ›Woher hast du das Seil, da uns die Räuber doch alles genommen?‹
Sondern, kaum war er gebunden, schlief Jesus abermals ein.
Da legte sich Joseph zu Boden und hielt das Seil fest in Händen, das führte hin durch die Nacht, bei schwächer werdendem Feuer, hinüber zum Sohn.
Und Joseph, in größter Unruhe, betete abermals und fand nicht Ruhe. Die Windungen des Seils aber klebten naß im Teller der Hand.
Da plötzlich war’s ihm, als röche er Tiergeruch, hergetragen vom Wind.
Und Joseph stand auf und lauschte.
Und fand alles still.
Da lag das Feuer still in der Glut, und die Scheite gefallen, rotatmend im Wind.
Und Geruch wilden Tiers ging hin über ihn, als sei’s nah.
Und Joseph ging hinüber zum Sohn, bei sich tragend das Ende des Seils, das er in Händen gehalten.
Und er fand den Sohn schlafend und kniete hin und beugte sich über ihn. Und er sah, wie der Sohn bäuchlings da lag, die rechte Wange auf Josephs Mantel ruhend, den Rist seines Fußes aber bis zur Kniekehle des gestreckten Beins hochgezogen, in die Wärme dort einzutauchen der Kehle des Knies.
Und nahm in die Hand die Hand seines Sohns, die andere, die war noch ungebunden.
Und band mit dem Seil auch die Linke dem Sohn.
Da führte Joseph hinab das Seil, von den gebundenen Händen hinab zu den Füßen des Schlafenden.
Und ebenso band sie ihm beide.
Da, als Joseph gebunden hatte Jesus, den Sohn, war es Mitternacht.
Und Joseph stand auf und ließ ihn.
Und schritt hinauf ein Stück Wegs, langsam, hinauf zum Altar.
Und ging zwiefach gefangen, denn gebunden von Gott war er und gebunden im Gebundensein seines Sohns.
Und er kam hin zur Stelle vor dem Altar, wo er vergraben hatte das Opfergerät.
Und gräbt auf das Versteck und hebt aus die übrigen Scheite und schichtet sie zum Brandopfer auf dem Altar.
Und bückt sich hinab und kniet und hebt als letztes aus dem Versteck, was er gelegt hatte zum Seil, mit dem geschehen war Jesu Bindung: das Opfermesser.
Aus dem Versteck hervor hebt er’s, das Messer, als letztes.
Da lag die Grube leer und leer darin Tierhaut, und er ließ sie und streute nicht Erde darüberhin.
Sondern abermals Tiergeräusch hört er. Und dreht sich zum Wind.
Das Messer im Griff, geht er gegen den Wind, duckt sich seitlich vorbei am Altar.
Denn er hatte Berglöwen gehört.
Kapitel 46. Tor der Finsternis
Und der Wind bläst Joseph an ins Gesicht.
Da, im Schein des Monds, sieht Joseph zwei Löwen. Kaum einen Steinwurf entfernt.
Und die Löwen kauerten sich hin über eine Felsenkluft, aus deren Mitte es finsterte. Und kauerten dort, als hüteten sie, lagernd über dem Einlaß, das Tor Finsternis.
Und die Raubtiere blickten hinaus in die Nacht, abgewandt noch von Joseph, als lauerten sie hinaus auf eines, das kommt.
Joseph aber erkannte die Stelle Finsternis, der Höhlenkluft Einlaß, darüber sie lagen. Denn vor Tagen noch war er hingegangen und her, von dort herzuschaffen Steine zum Bau des Altars.
In jenem Moment war’s, das Hinkauern der Löwen gerade geschehen, da kommt, hergetragen vom Wind, Geräusch ans Ohr Josephs. Aus der Richtung, in die lauernd sich streckten die Kauernden dort.
Und still hält sich Joseph, geduckt hinab an den Steinrand.
Umgreifend das Messer, kaum atmend.
Da weicht Wolkenstreif vorüber am Mond.
Daß es heller wird augenblicks.
Und Joseph sieht einen Reiter, der langsam sich nähert, her über die Breite des Bergrückens hin.
Und Joseph denkt: Hat er unser Feuer gesehen aus der Ferne?
Da blickt Joseph hinter sich, hinabhin zum
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