Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
Lager, wo dunkel der Sohn liegt.
Und Joseph erkennt schwachglühend die Glut dort, über die hinstreicht der Wind.
Und zurück blickt Joseph zum Reiter, der näher kommt.
Und denkt: Ist es einer aus der Schar Räuber?
Da – denn näher herbei zog der Reiter – ahnt Joseph:
Nah vorbeikommen wird er, der Reiter, und an eben der Stelle, darüber kauern die Löwen.
Gebannt aber sieht’s Joseph. Warnt nicht den, der da näher reitet.
Und denkt: ›Wie könnte der aber gehören zur Schar jener Räuber? Die zogen doch hinter mir ab, vor untergegangener Sonne. Der aber kommt von Aufgang.‹
Und in diesem Moment – nicht ausstieß Joseph die Warnung. Sah nur gebannt.
Da fielen die Löwen den Reiter an. Springen im Sprung über ihn her.
Reißen im Riß vom Pferd ihn herab.
Und Joseph sieht, daß ein Fuß des Gerissenen festhängt im Bügel des Sattels.
Sieht das Pferd steigen.
Ausweichen will es den Löwen.
Hört das Stampfen der Hufe, das Wiehern. Hört das Widerfauchen und Brüllen Getiers.
Keinen Schrei aber hört, keinen Laut vernimmt Joseph vom Reiter.
Geschleift wird der vom Pferd, das davonsetzen will.
Da wirft sich einer der Berglöwen auf den im Steigbügel hangenden Reiter.
Wird – augenblicks auf dem Körper – schon mitgeschleift vom flüchtigen Pferd.
Doch umklammern die Pranken. Und das Maul reißt sich tief in die Beute. Und der Löwe gibt sie nicht frei.
Abermals bäumt das Pferd.
Da bricht los die Last.
Leer schlägt der Steigbügel an die blutige Flanke.
Und das Pferd jagt davon. Entkommt längs des Pfads zwischen Felsen.
Da sah Joseph die Löwen sich hinlagern. Aufs stumme Opfer streckten sie sich. Fauchend einander und zerrend daran.
Bis sie, ruhiger geworden, kauerten Rücken an Rücken und begannen, es zu zerfleischen.
Kapitel 47. Die Wende
Da wich Joseph zurück vor dem Anblick. In Furcht und Erschütterung wich er zurück.
Und weichend zurück: mit dem Rücken stieß er an den Altar, der aus Steinen geschichtet zum Opfer bereitstand des Sohns.
Und brach nieder dort.
Und niedergebrochen, doch wandte sich hin zum Altar.
Und aufstützte sich an den Steinen.
Bis er kniete davor.
Da betete Joseph, als träte er hin vor den Herrn. Gebückt beladen mit Last, zitternd vor Furcht, entschlossen, die Bresche zu schließen dem Feind.
Und sprach kniend vor IHM, das Opfermesser umklammernd im Griff:
›Herr, Deinem Willen gehorche ich nicht. Nicht opfern werde ich Dir den Sohn. Denn er weiß nicht, daß Du ihn forderst. Willst Du ein Opfer, so nimm an seiner Statt mich!‹
Da verdunkelten sich die Steine vor Joseph.
Er blickte auf und sah die Wolke, die löschte das Mondlicht.
Und dann Geräusch. Hinter sich.
Er springt auf, wendet sich um – fürchtet ein Tier, das sich anschleicht von hinten.
Da sieht Joseph einen, der in Entfernung hinterm Stein hervorspringt.
Und als Joseph – das Messer im Griff noch – auf den zugehen will, zu erkennen glaubt dessen Gestalt:
Stumm rennt der eilends davon.
Da läuft Joseph ihm hinterher.
Und zitternd vor Furcht, die jetzt dringt in den Vater, ihn entmächtigend überkommt, flieht Joseph hinab aufs Lager zu, wo er ließ den gebundenen Sohn.
Kapitel 48. Die Spuren
Und findet die Feuerstelle leer. Findet den Sohn nicht mehr, den Schlafenden, den er dort hatte gebunden.
Sondern die Fesseln, durchbrannt. Ein Teil des Seils glimmt in der Aschenglut. Darüber kämmt funkenstiebend der Wind.
Da läßt Joseph fallen das Messer und ruft nach dem Sohn. Und rennt hinaus und, rufend nach ihm, sucht zu fassen noch die Gestalt.
Und lauter ruft ihn, der Sohn solle sich zeigen. Nicht Furcht tragen doch vor dem Vater!
Ruft, bis sein Rufen entsetzlich wird.
Laut trägt sein Schrei nach dem Sohn durch die Nacht.
Der Sohn aber zeigt sich nicht.
Und ob er bereits geflohen hinab oder noch sich versteckt auf dem Rücken des Bergs, Joseph wußte es nicht.
Und stieg zwischen Felsen hin, suchend und rufend.
Und wenn er fällt, suchend im Dunkel, hastig richtet sich wieder auf, er könnt ihn versäumen. Und ruft und sucht weiter.
Da rief Joseph ein letztes Mal nach dem Sohn, rief vom Berge herab, gerichtet zur Ebene hin, die sie vortags gekommen, rief den Namen des Sohns.
Klagend bei höchster Schuld stieß er ihn aus, diesen Namen, schrie ihn heraus, sich windend im Schmerz des Verlusts. Schrie, als könnt er zerreißen Finsternis mit dem Namen des Sohns, schrie – so klang der Schrei noch am Ende –, als suche im Schrei aus dem Tod sich
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