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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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Steinen mit ihm. Und schreit mit heiserer Stimme, vertreibt ihn.
    Und Joseph denkt bei sich: Ich will begraben den Leichnam.
    Da sieht er das Dunkel der Felsspalte, über der die beiden Löwen gelauert hatten.
    Und er nimmt in die Hände den Kopf des Aufsehers und trägt ihn hinüber. Und steht still vor dem Dunkel der Höhlenkluft dort im Felsen.
    Und wirft hinein einen Stein und wartet.
    Da kriecht Joseph hinein ins Dunkel ein Stück und setzt ab den Kopf. Und kriecht zurück aus der Kluft. Denn er sah, daß sie taugte zum Grab, das er verschließen wollte mit einem Stein.
    Und Joseph kehrte zurück zum Kadaver, die zerfleischten Reste des Leichnams hinüberzuziehn ins Dunkel des Felsens.
    Da aber geschieht’s.
    Denn als Joseph sich bückt, hinüberzuzerren den Körper, reißt Josephs Gewand.
    Den Riß hört er – und sieht hin.
    Und sah eingerissen, von unten her: sein Gewand.
    Und sieht, daß blutbeschmutzt ist, das da riß von unten her, sein Gewand. Denn vom Aufheben und Tragen und Legen des Kopfes war es besudelt.
    Da ließ Joseph liegen den Kadaver, bückte sich nicht, ihn hinüberzuschleifen zur Felspalte hin.
    Sondern ging langsam um die furchtbar entstellte Leiche im Kreis und sprach bei sich:
    ›Bin ich im Kreis nicht wie dieser? Denn entstellt hat ER mich und zerrissen. Und hat mich zerrissen dem Sohn: Denn seinen Mörder glaubte Jesus zu sehen, als er mich sah am Altar. Hat den wahnsinnigen Vater erkannt, der hinterhältig ihn band, um den Sohn zur Schlachtung als Opfertier zu zerreißen.
    Denn so zerrissen die Löwen diesen, den Aufseher, der nochmals kreuzte mein Leben. Auf daß ich sähe, hinsähe auf ihn hinab: mich zu erkennen in ihm.
    In seinem unfreiwilligen Opfer: mein willens verweigertes, das mich zerreißt. Und im Zerrissenen noch den Sohn, den ER mich hieß zerreißen.
    Denn ich habe Gott nicht gehorcht. Und mit Wissen tat ich’s, als ich das Sohnopfer IHM verweigerte.
    Und wußte, ER würde mich auskratzen, zerfleischen den Namen, aus Seinem Buch tilgen Joseph.
    Daß niemand mich mehr erkenne.
    Wie diesen da, dessen Kadaver zerrissen liegt, niemand wird mehr erkennen.
    Seine sinnlose Flucht durch die Nacht soll ich verstehen als meine, die sollte sinnlos hier enden. Denn ich verstand nicht den Sinn des geforderten Opfers. Und habe es IHM verweigert.‹
    Da erinnerte sich Joseph, als er die Leiche umging, daß, der da lag, für begraben galt bei Sepphoris, dreizehn Jahre war’s her.
    Denn Joseph selbst hatte ihn in die Grube beim Feld gelegt und ihn, mit anderen Verbrannten, dort auch begraben. Hatten sie doch geglaubt, in der Nacht noch des Brands, sie hätten die Leiche des Aufsehers und Brandstifters in den Trümmern des Landhauses gefunden.
    Joseph aber, der den Aufseher hatte fliehen sehen zu Pferd, damals hat er geschwiegen und ihnen nicht widersprochen.
    Jetzt aber, als er hinabsah auf den Zerfleischten, da fühlte Joseph:
    ›Ja, wie diesen, hat ER mich zerrissen, willentlich. Denn Er hat gelauert auf mich und auf ihn. Und riß unsere Bahnen ineinander am Tag, als ich stieg in den Garten, ER mich kreuzen ließ den Weg des Aufsehers.
    Daher will auch ich nicht, daß sie suchen nach mir. Denn nach dem Aufseher sucht niemand mehr. Und keiner soll mehr mich erkennen. Sondern für tot und begraben will ich gelten wie dieser, der ihnen im Brand starb bei Sepphoris. Vor dem ich einst floh, zu befreien den Sklaven. Und der mich heute erreicht.
    Und ich glaube: erreicht hat er mich kreuzend, auf daß ich stumm träte an seine Statt. Zu büßen die Überschreitung von damals und heute. So schließt sich der Kreis. Und so wären Zerrissene eins noch: von Einem nämlich zerrissen.‹
    Da, als Joseph so zu sich gesprochen, griff er sein Gewand an der Stelle, wo es war eingerissen von unten her.
    Und er riß daran heraufhin und zerriß es.
    Es war aber Gewand, das Maria ihm gewoben aus einem Stück. Und er wußte’s, noch beim Zerreißen war’s ihm bewußt. Und beim Zerreißen des Gewebes kam’s ihm: Ich zerreiße, was Maria gewoben.
    Und in Stücke, wild, ohne Ordnung riß er das Gewand und zerriß es in Schmerzen und schrecklichen Klageschreien.
    Und tauchte das Zerrissene – die Fetzen kreuz und quer – ins Blut des Aufsehers. Zog’s hin durch den zerfleischten Kadaver. Daß es sich vollsog, das Zerrissene.
    Und zog dem Aufseher ab, was ihm blieb, die Fetzen des Obergewands und Untergewands, die der Reiter getragen.
    Zog ihm alles ab und legte’s beiseite und zog ihm über und legte

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