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Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)

Titel: Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Patrick Roth
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führen.
    Und er kriecht hinaus, und mit Gesträuch, das er bricht, tilgt er die Spuren von Reiter und Pferd, die führten zum Ort. Und tilgt die Spur auch des Pferds, die führt vom Ort hinauf vorbei am Altar. Er tilgt sie beide, mühsam mit letzten Kräften noch tilgt er.
    Und kehrt zum Felsspalt zurück und tilgt seine Spur auch dorthin, bis an den Rand noch der Öffnung.
    Ungetilgt aber sieht und beläßt er die Spur, die eine, die führt in stürzendem Lauf vom Stein herab an den Ort, dahin er eilte, wahnsinnig geworden am Gottgeschehen, sich vor die Raubtiere zu werfen.
    Und Joseph kroch zurück in die Kluft und kniete, das Gesicht gerichtet zum Eingang. Und erschöpft fiel er zur Seite, hin an die Wand, und schlief ein.
    Nochmals da kehrt der Wolf.
    Und Joseph schrickt auf vom Schlaf: Sieht das Tier, Schritte entfernt vor der Öffnung.
    Sieht stillstehen das Tier.
    Nochmals da vertreibt er’s.
    Und er lehnt sich hockend gegen die Wand im Innern der Kluft. Und schläft ein.
    Abermals kommt der Wolf.
    Und diesmal steht er im Eingang schon, knurrend, und fletscht die Zähne zum Angriff, als Joseph erwacht.
    Da schlägt Joseph nach ihm mit dem Stein und wirft ihm den Stein hinterher und vertreibt das Tier abermals.
    Und wieder lehnt Joseph zur Seite sich in der Kluft und nickt ein. Und erwacht, aufgeschreckt, als habe er Geräusch gehört vor der Höhle. Und dachte: Wen noch verteidige ich? Denn an Sohnes Statt würde ER mich töten, wenn’s IHM gefiele.
    Und doch lauschte Joseph verkrampft, ob das Tier nochmals käme.
    Da kam Morgen und Anbruch des Lichts.
    Und Joseph sah das Licht vor der Höhle blaßbläulich nisten im Umriß des Körpers, der draußen lag. Sah’s rötlich hertasten in der Verheerung.
    Und tiefer kroch rückwärts, tiefer ins Dunkel der Kluft.
    Kapitel 52. Das Nagen
    Es ist Tag, als Joseph in der Höhle erwacht. Bei halbem Bewußtsein nur sieht er vor sich, draußen, in brennender Mittagssonne, den Ort, wo der Körper liegt. Sieht seinen Leichnam.
    Aasvögel sitzen daran. Hörbar sind Nagen und Zerren der Schnäbel. Flügelschlag, wenn sie streitig die Plätze wechseln.
    Und er will sie vertreiben. Aber kaum vermag er den Arm zu bewegen. Schwach nur umgreift er den Stein, schleudert ihn nicht mehr nach ihnen.
    In Starre verfällt ihm der Körper. Da kreuzt glosend durch ihn ein Gedanke: Tot sehen sich nur Tote.
    Erschöpft schließt er die Augen, dumpf wartend, dumpf bewußt sich des Grauens, das sein Leben behält.
    Bis Müdigkeit und Erschöpfung ihn übertäubt, den Schmerz zerrinnen macht Schlaf.
    Kapitel 53. Das zweite Herz
    Er erwacht, von Stimmen geweckt. Noch mit geschlossenen Augen hört er ihr Rufen.
    Sie rufen seinen Namen.
    Eine scheint näher, vielleicht von der Stelle her, wo er nachts lagerte mit dem Sohn.
    Zwei andere fernerher hörbar, aus der Richtung etwa des Steinaltars, die rufen nach Joseph.
    Die Stimme Marias erkennt er, zwischen zwei anderen, rufend nach ihm.
    Und eine vierte – es ist Jesus, der ruft nach dem Vater –, die nähert sich von hinter der Höhlenkluft her.
    Und Kreise ziehend hört Joseph den Klang ihrer Rufe um diesen Ort, das Rufen der Stimmen nach Joseph, die suchen nach dem Verlorenen.
    Da hört Joseph den Schrei.
    Und ohne sich zu bewegen, hebt er die Augen, späht hin durch den Felsspalt nach draußen ins Licht.
    Sieht liegen am Ort den Kadaver.
    Hört stürzen den Schrei von den Felsen herab.
    Da stürzt in die Grenzen des Ausschnitts, durch den hin Joseph sieht auf den Ort: linksher sein Sohn.
    Der rennt noch im Schrei, aufjagend Aasvögel, die wollen nicht weichen. Bis er sie treibt davon.
    Und sieht also heranstürzen ihn, den Sohn, sieht ihn halten, dem ausgeht der Atem zum Schrei.
    Sieht den Sohn zögernd stehen vor der Leiche.
    Sieht ihn anheben den Arm, abzuhalten den Ruch der Verwesung. Sieht ihn schützen die Augen vor dem, der zu sehen ist dort.
    Und er hört den Sohn rufen nach den anderen. Hört ihn schreien, sie sollen herbei.
    Aber noch umgeht allein dort der Sohn. Umgeht zögernd im Kreis, was bleibt vom Kadaver.
    Und Joseph sieht, wie er sich bückt, in die Hocke geht.
    Und da …
    Joseph sieht’s:
    Da glaubt zu erkennen der Sohn das Gewand.
    Greift aber nicht hin an das blutig verklebte.
    Und da, Joseph sieht’s:
    Erkennt Jesus den Gürtel.
    Denn jetzt tastet der Sohn hin. Schon berühren die Finger den Gurt. Da zieht er die Hand wie aus Feuer zurück.
    Und Joseph sieht ihm an die Gedanken, die schuldig und zweifelnd bestürzen

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