Sunrise: Das Buch Joseph (German Edition)
den Sohn.
Denn der Sohn glaubt, das Grauen betrachtend, er habe den Vater im Stich gelassen. Ausgeliefert war der gewesen wildem Getier, vor dem der Vater den Sohn noch in der Nacht gewarnt hatte.
Da stößt tiefe Schuld in ihn, Jesus. Und Joseph sieht’s, er sieht hin:
Daß der Sohn nochmals greift, nochmals zu prüfen, hin an den Gürtel.
Und der Sohn umgreift den Gürtel mit seiner Hand. Und erkennt ohne Zweifel den Gürtel des Vaters.
Rückwärts stößt ihn der Schreck, als er erkennt, rückwärts, so daß ein Teil des Gürtels unterm Kadaver hervorweicht, ihm bleibt in der Hand, die hingriff.
Und wieder sieht Joseph die Gedanken des Sohns. Sieht Ahnung nisten in Jesus, Wissen tasten nach ihm, der hält noch den Gürtel.
Ahnung, daß der Sohn im Angsterwachen der Nacht alles falsch gedeutet, mißdeutet hatte das Seil, darin er gefesselt sich fand. Mißverstanden hatte den Anblick des Vaters, der kniete vor fertigem Steinaltar. Und grundlos sich fürchtete vor Josephs Hand, die das Opfermesser umgriff.
Wissen, daß er, Jesus, feige vom Dämon getrieben, hinabfloh in jener Nacht. Und dem Vater, der dem Sohn doch verzweifelt nachgerufen, Hilfe verweigert hatte. Hilfe nämlich, als Joseph – wie Jesus nun schuldig zu wissen glaubte – in größter Gefahr war: dem Raubtier, das ihn zerreißen würde, schon gegenüberstand. Denn wie lang war gewesen, wie in höchster Verzweiflung ausgestoßen der letzte Schrei seines Namens nach ihm, Jesus.
Und Joseph sah, wie der Sohn in der Hocke noch sitzend, sich hinabfliehen sah, den Bergrücken hinab, und verfolgt war vom ausgestoßenen Schrei, den er immer noch hörte.
Da hört Joseph den Schrei der Maria.
Die erscheint im Ausschnitt der Felsenkluft, durch die hinsieht Joseph.
Und sie tritt an den Ort hin, den Mantel im Arm, den Joseph gelassen hatte am Feuer. Am Feuer, daran lagerte Joseph zwei Nächte zuvor mit dem Sohn.
Und Joseph sieht, wie sie steht, seinen Mantel im Arm, ihn glattstreichend, als glätte und säubere sie doch den Stoff. Als läge glatt nicht genug, den sie fand im Staub vor der Asche des Feuers.
Und die glattstreicht immer den Mantel, sieht er blicken hinab auf den Sohn, der rückwärts gestoßen im Schreck noch den Gürtel hält in der Hand.
Da sieht er Maria hinknien. Sieht sie nehmen dem Sohn, was er hält.
Und Maria erkennt den Gürtel des Joseph.
Da sieht Joseph, wie ausgeht ihr Arm, aus über den Toten. Furchtsam hält sie den Arm über dem, der da liegt.
Und Joseph sieht ihre Finger kommen herab, zu lesen die Streifen blutig zerrißnen Gewands.
Und er sieht: früh schon erkennt sie’s.
Und sieht, wie sie’s doch bei sich noch hält, ohne den andern davon zu sagen. Als könnten ihre Finger, die immer wieder berührten die Streifen, am Ende lesen ein anderes doch. Da, schließlich, hört er sie sagen:
›Es ist, was ich ihm gewoben.‹
Da waren hinzugekommen Klopas, der Mann der Maria – das ist jene, die Schwester war der Maria –, und Jakobus, Klopas’ Sohn.
Und sie hörten Maria sagen:
›Es ist Josephs Gewand.‹
Und sie standen am Ort still und sahen’s.
Da wollte Klopas sie stützen, ihr aufhelfen von dort, daß sie stünde, und sie wegziehn vom Ort.
Aber Maria, noch im Aufrichten, windet sich aus Klopas’ Hand, schreit auf und greift abwärts.
Und nochmals kniet hin.
Und zur Hüfte des Toten hinauf fährt ihre Hand. Und zieht von der Stelle dort um die Hüfte: verklebten Gewandrest. Da sieht sie etwas und – zuckt zurück.
Und nochmals: greift ihre Hand, es aus der Hüfte zu heben. Hervorzuziehen den Streif. Den Streifen Tuchs, der dort lag unterm Fetzen Gewand, überm Höcker der linken Hüfte.
Und Joseph sieht, wie Maria hielt auf dem Teller der Hand den Streifen. Den hatte sie einst ihm zum Zeichen gesandt, herbeizurufen ihn zu sich, nachdem er geflohen.
Sie hebt ihn an ihre Lippen, küßt ihn mit ihrem Kuß.
Da beugt sich Maria über den Toten, legt ihm zurück den Streif auf die Hüfte: ihr Zeichen ihm.
Und Joseph sieht das. Los schlägt’s in ihm, daß er schreien will:
›Ich bin es, hier! Seht her, ich lebe!‹
Und hervorbrechen will er, zu den Seinen hervor aus der Kluft.
Aber gelähmt liegt er vornübergebeugt auf den Knien. Keinen Finger vermag er, noch bei größter Anstrengung nicht, vorzustrecken in ihre Richtung. Und der Mund, mit dem er hinausschreien will zu ihnen, keine Sehne der Kiefer bewegt sich, kein Laut von Lippen geformt, nicht ein Röcheln ist hörbar.
Und starr sieht
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