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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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auch diese Strecke. Schließlich gab sie die Süßigkeiten auf. Es war überraschend schwer. Sie hatte nicht bedacht, dass Zucker gegen die Trauer half. Vielleicht waren die Süßigkeiten auch zu einem Tick geworden. Wie auch immer, irgendwann war Schluss mit den Ho-Hos. Und dabei blieb’s. Das Laufen allein genügte. Henry bezeichnete das Laufen als einen Tick von ihr, und damit hatte er in ihren Augen wohl Recht.
    »Was sagt denn Dr. Steiner dazu?«, fragte er.
    »Dr. Steiner sagt, laufen Sie sich ruhig die Hacken ab, das bringt die Endorphine in Schwung.« Sie hatte Susan Steiner gegenüber nichts vom Laufen erwähnt, hatte sie seit Amys Beerdigung nicht einmal mehr gesehen. »Sie sagt, sie würde es mir sogar verschreiben, falls du Wert drauf legst.«
    Emily hatte Henry immer schon etwas vormachen können. Selbst nachdem Amy gestorben war. Wir können noch eins kriegen, hatte sie gesagt, als er mit überkreuzten Beinen dalag und ihm die Tränen das Gesicht hinabliefen, während sie neben ihm auf der Bettkante saß.
    Es erleichterte ihn, und das war gut, aber es würde niemals ein anderes Baby mit dem unvermeidlichen Risiko geben, es eines Tages grau und still in seinem Bettchen vorzufinden. Nie wieder die fruchtlose Herzmassage oder der panische Notruf, bei dem die Vermittlung sagte: Sprechen Sie leiser, Ma’am, ich versteh Sie nicht. Aber das brauchte Henry nicht zu wissen, und sie war bereit, ihn zu trösten, zumindest am Anfang. Sie glaubte, dass Trost, nicht Brot, die Grundlage des Lebens war.Vielleicht würde sie irgendwann selbst eine Art Trost finden können. Bis dahin galt jedoch: Sie hatte ein defektes Baby produziert. Noch eines würde sie nicht riskieren.
    Dann fingen die Kopfschmerzen an. Richtig heftige Migränen. Also ging sie doch noch zum Arzt, aber zu Dr. Mendez, ihrem Hausarzt, nicht zu Susan Steiner. Mendez verschrieb ihr ein Migränemittel, das Zolmitriptan enthielt. Sie war mit dem Bus zu seiner Praxis gefahren, dann zur Apotheke gelaufen, um das Rezept einzulösen. Danach joggte sie heim – es waren zwei Meilen -, und als sie dort ankam, hatte sie solches Seitenstechen, als steckte ihr eine Heugabel zwischen den Rippen. Aber das machte ihr nichts aus. Es war ein Schmerz, der weggehen würde. Außerdem war sie erschöpft und hatte das Gefühl, sie könnte endlich ein Weilchen schlafen.
    Was sie auch tat – den ganzen Nachmittag.Auf dem gleichen Bett, wo Amy gezeugt worden war und Henry geweint hatte. Als sie aufwachte, sah sie geisterhafte Kreise in der Luft wabern, ein sicheres Zeichen, dass sie dabei war, eine von »Ems beliebten Kopfschmerzattacken« zu kriegen, wie sie es nannte. Sie nahm eine der verschriebenen Pillen, und zu ihrer Verblüffung – fast schon schockartig – zog der Schmerz den Schwanz ein und schlich sich davon. Erst in den Hinterkopf, dann ganz. So eine Pille, dachte sie, sollte es auch gegen den Tod eines Kindes geben.
    Sie bildete sich ein, die Grenzen ihres Durchhaltevermögens ausloten zu müssen, und ihr schwante, dass dies eine größere Exkursion werden würde. Unweit des Hauses befand sich ein Sportplatz mit einer Aschenbahn. Sie fuhr dort nun regelmäßig hin, sobald Henry morgens zur Arbeit gegangen war. Henry hatte kein Verständnis für ihre Lauferei. Joggen, klar – viele Frauen joggten, um sich überflüssige Pfunde am Po abzutrainieren, um überflüssige Schwimmringe fernzuhalten. Em hatte kein Pfund zu viel am Hintern, und außerdem reichte Joggen ihr nicht mehr. Sie musste rennen, und zwar schnell. Nur schnelles Laufen half.
    Sie parkte an der Bahn und rannte, bis sie nicht mehr konnte, bis ihr ärmelloses Sweatshirt mit dem Aufdruck »Florida State University« vorn und hinten schweißgetränkt war, bis sie wankte und manchmal vor Erschöpfung kotzte.
    Henry kam ihr auf die Schliche. Irgendwer sah sie dort, wie sie ganz allein um acht Uhr morgens ihre Runden lief, und steckte es ihm. Sie hatten eine Diskussion darüber. Die Diskussion eskalierte zu einer Auseinandersetzung, die das Ende der Ehe einleitete.
    »Es ist ein Hobby«, sagte sie.
    »Jodi Anderson sagt, du bist gerannt, bis du umgefallen bist. Sie hatte Angst, du hättest einen Herzinfarkt. Das ist kein Hobby, Em. Nicht mal ein Tick. Das ist Besessenheit.«
    Dabei blickte er sie vorwurfsvoll an. Es brauchte noch eine Weile, bis sie das Buch nahm und es ihm an den Kopf warf, aber das war der eigentliche Auslöser. Dieser vorwurfsvolle Blick. Sie konnte es nicht mehr ertragen. Dieses lange

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