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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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mein gerötetes Gesicht berührte, als ich nach unten kam, und erinnere mich an die nachdenkliche Besorgnis in ihrem Blick. »Vielleicht wirst du ja auch krank«, sagte sie.
    »Schon möglich«, sagte ich, und das wäre mir nur recht gewesen. Erst eine halbe Stunde später entdeckte ich, dass ich vergessen hatte, den Reißverschluss meiner Hose hochzuziehen. Zum Glück merkten das weder Peg noch meine Mutter, obwohl bei jeder anderen Gelegenheit eine von ihnen oder beide mich gefragt hätten, ob ich eine Genehmigung als Hotdog-Verkäufer besäße (dergleichen galt in dem Haus, in dem ich aufgewachsen bin, als witzig). An diesem Tag war eine von ihnen zu krank und die andere zu besorgt, um witzig zu sein. Also kam ich völlig ungeschoren davon.
    Schwein gehabt.
     
    Was an diesem Augusttag in meiner Wohnung auf die erste emotionale Welle folgte, war viel unkomplizierter: Ich glaubte, verrückt zu werden. Weil diese Brille nicht hier sein konnte. Absolut nicht. Unmöglich.
    Dann hob ich den Kopf und sah noch etwas, das ganz sicher nicht in meiner Wohnung gewesen war, als ich eine halbe Stunde zuvor zu Staples aufgebrochen war (wobei ich wie immer die Tür hinter mir abgeschlossen hatte). In der Ecke zwischen Kochnische und Wohnzimmer lehnte ein Baseballschläger. Dem Etikett nach von Hillerich & Bradsby. Und obwohl ich die andere Seite nicht sehen konnte, wusste ich recht gut, was dort stand: SCHADENSREGULIERER, die Buchstaben mit einem Lötkolben ins Eschenholz gebrannt und dann dunkelblau eingefärbt.
    Eine weitere Gefühlsregung durchflutete mich: eine dritte Welle. Das Ganze war eine Art surrealer Verzweiflung. Ich glaube nicht an Geister, aber in diesem Moment habe ich bestimmt ausgesehen, als hätte ich gerade einen erblickt.
    So fühlte ich mich auch. Und wie! Diese Sonnenbrille musste nämlich schon lange hinüber sein – »Long-Time Gone«, wie die Dixie Chicks sagen. Ebenso Cleve Farrells Schadensregulierer. (»Besboll war serr gutt zu mir«, sagte Cleve manchmal, indem er an seinem Schreibtisch sitzend den Schläger über dem Kopf schwang. »Ver-SICH-erung war nix gutt.«)
    Ich tat das Einzige, was mir einfiel: Ich schnappte mir Sonja D’Amicos Sonnenbrille, trabte damit zum Aufzug zurück und trug sie vor mir her, wie man etwas Unappetitliches tragen würde, das man nach einer einwöchigen Urlaubsreise auf dem Fußboden seiner Wohnung vorfindet: ein verdorbenes Stück Käse oder den Kadaver einer vergifteten Maus. Ich erinnerte mich unwillkürlich an ein Gespräch über Sonja, das ich mit einem Kerl namens Warren Anderson geführt habe. Sie muss ausgesehen haben, als wollte sie nochmal raufflitzen und fragen, ob jemand’ne Coca-Cola für sie hat, hatte ich gedacht, als Warren mir erzählte, was er gesehen hatte. Bei einem Drink im Blarney Stone Pub in der Third Avenue war das gewesen, ungefähr sechs Wochen nachdem der Himmel eingestürzt war. Nachdem wir darauf angestoßen hatten, dass wir nicht tot waren.
    Solche Dinge haben eine eigene Art, sich einzuprägen, ob einem das gefällt oder nicht.Wie eine musikalische Phrase oder der Nonsensrefrain eines Popsongs, der einem einfach nicht mehr aus dem Kopf geht. Man wacht um drei Uhr morgens auf, weil man pinkeln muss, und während man mit dem Schwanz in der Hand und zu ungefähr zehn Prozent wach vor der Schüssel steht, fällt es einem plötzlich wieder ein: Als wollte sie nochmal raufflitzen. Raufflitzen und’ne Cola schnorren. Irgendwann im Verlauf dieses Gesprächs hatte Warren mich gefragt, ob ich mich an ihre komische Sonnenbrille erinnern könne, und ich hatte gesagt, das könne ich. Natürlich konnte ich das.
     
    Vier Stockwerke tiefer stand Pedro, der Portier, im Schatten der Markise und unterhielt sich mit Rafe, dem FedEx-Mann. Pedro war unerbittlich, wenn es darum ging, wie lange Lieferwagen vor dem Gebäude halten durften – er hatte eine Siebenminutenregel, eine Taschenuhr, um ihre Einhaltung zu überwachen, und alle Streifenpolizisten waren seine Kumpel -, aber mit Rafe kam er gut aus, und manchmal standen die beiden da, steckten zwanzig Minuten oder noch länger die Köpfe zusammen und schwatzten nach alter New Yorker Art. Politik? Besboll? Das Evangelium des Henry David Thoreau? Ich wusste es nicht, und es war mir nie gleichgültiger als an jenem Tag. Sie waren da gewesen, als ich mit meinem Büromaterial nach oben gefahren war, und standen noch da, als ein weit weniger sorgenfreier Scott Staley wieder nach unten kam. Ein Scott Staley,

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