Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset
und zu artikulieren, was ich dabei empfand. Wie viel würde ich für vier Sitzungen berappen müssen? Sechshundert Dollar? Vielleicht achthundert? Das erschien mir als fairer Preis für etwas Erleichterung. Und ich hielt sogar einen Bonus für möglich. Vielleicht würde ein unbeteiligter Außenstehender eine unkomplizierte, vernünftige Erklärung sehen können, die mir einfach entging. Meiner Ansicht nach schien die abgesperrte Tür zwischen meiner Wohnung und der Außenwelt solche Erklärungen weitgehend auszuschließen, aber so dachte eben ich; war das nicht der springende Punkt? Und vielleicht das Problem?
Ich hatte mir schon alles zurechtgelegt. Bei der ersten Sitzung würde ich erklären, was passiert war. Zur zweiten würde ich die betreffenden Dinge mitbringen: Sonnenbrille, Plexiglaswürfel, Schneckenmuschel, Baseballschläger, Keramikpilz, das allseits beliebte Furzkissen. Ein bisschen Herzeigen und Erzählen, genau wie in der Grundschule. Danach blieben meinem Mietfreund und mir zwei weitere Sitzungen, in denen wir die Ursache dieser beängstigenden Schieflage meiner Lebensachse ergründen und die Dinge wieder ins Lot bringen konnten.
Ein einziger Nachmittag, den ich damit verbrachte, in den Gelben Seiten blätternd Telefonnummern zu wählen, genügte, um mir zu beweisen, dass meine Idee, zu einem Psychiater zu gehen, sich in der Praxis nicht verwirklichen ließ, so gut sie theoretisch auch klingen mochte. Einer tatsächlichen Terminvereinbarung am nächsten kam ich, als eine Sprechstundenhilfe mir erklärte, Dr. Jauss könne mich vielleicht im kommenden Januar einschieben. Selbst das werde noch raffiniertes Jonglieren mit Terminen erfordern, deutete sie an. Die anderen machten mir alle nicht die geringste Hoffnung. Ich versuchte es mit einem halben Dutzend Therapeuten in Newark und vier in White Plains, sogar mit einem Hypnotiseur im Stadtteil Queens, immer mit demselben Ergebnis. Mohammed Atta und seine Selbstmörderpatrouille mochten für die Stadt New York (von der Ver-SICH-erungs-Branche ganz zu schweigen) nix gutt gewesen sein, aber nach diesem einen erfolglos vertelefonierten Nachmittag war mir klar, dass sie für den Berufsstand der Psychiater ein Segen gewesen waren, auch wenn die Psychiater vielleicht darunter stöhnten. Wenn man im Sommer 2002 auf der Couch irgendeines Mannes vom Fach liegen wollte, musste man eine Nummer ziehen und sich anstellen.
Ich konnte mit diesen Dingen in meiner Wohnung schlafen, aber nicht gut. Sie flüsterten mir zu. Ich lag wach im Bett, manchmal bis zwei, und dachte über Maureen Hannon nach, die fand, sie habe ein Alter erreicht (von einem Grad an Unersetzlichkeit ganz zu schweigen), in dem sie ihr erstaunlich langes Haar auf jede verdammte Weise tragen konnte, die ihr beliebte. Oder ich erinnerte mich an die verschiedenen Leute, die auf der Weihnachtsfeier herumgelaufen waren und Jimmy Eagletons berühmtes Furzkissen geschwenkt hatten. Wie ich vielleicht schon erwähnt habe, war es sehr beliebt, sobald die Leute um zwei oder drei Drinks näher an Silvester herangerückt waren. Ich wusste noch, wie Bruce Mason mich gefragt hat, ob es nicht wie ein Klistierbeutel für Elfen – »für Elfm«, sagte er – aussehe, und durch irgendeinen Assoziationsprozess fiel mir ein, dass die Schneckenmuschel ihm gehört hatte. Natürlich. Bruce Mason, Herr der Fliegen. Und einen Schritt tiefer in der Assoziationskette fand ich Namen und Gesicht von James Mason, der damals Humbert Humbert gespielt hatte, als Jeremy Irons noch nichts anderes als ein Putter gewesen war. Der Verstand ist ein gerissener Affe – manchmal nimmt-a de Banana, manchmal nimmt-a se nich. Deshalb war ich mit der Sonnenbrille hinuntergegangen, obwohl ich mir zu diesem Zeitpunkt keines deduktiven Prozesses bewusst gewesen war. Ich wollte nur eine Bestätigung. Ein Gedicht von Giorgos Seferis fragt: Sind das die Stimmen deiner toten Freunde, oder ist das nur das Grammophon? Das ist manchmal eine gute Frage, die man anderen stellen muss. Oder... man höre sich Folgendes an.
In den späten achtziger Jahren, gegen Ende meiner bitteren zweijährigen Romanze mit dem Alkohol, wachte ich einmal in meinem Arbeitszimmer auf, nachdem ich mitten in der Nacht am Schreibtisch eingedöst war. Ich torkelte ins Schlafzimmer, in dem ich jemanden sich bewegen sah, als ich nach dem Lichtschalter griff. Ich hatte sofort die Vorstellung (praktisch die Gewissheit ) von einem drogensüchtigen Einbrecher mit einem
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