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Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset

Titel: Sunset - King, S: Sunset - Just After Sunset Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephen King
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tatsächlich einer gut aussehenden Lady in Not helfen konnte (selbst einer, die einem ständig versichert, sie sei »sehr verheiratet«); solche Gelegenheiten sind allzu selten. Heutzutage verschlimmbessert der Möchtegernkavalier meistens nur alles.
    Sie stand frustriert in der Eingangshalle, als ich zu einem Nachmittagsspaziergang nach unten kam. Ich sagte: Hi, wie geht’s, wie man das zu Mitbewohnern seines Hauses eben sagt, und sie fragte mich in einem aufgebrachtem Ton, der fast schon an Verdrossenheit grenzte, weshalb der Hausmeister jetzt im Urlaub sein müsse. Ich wies darauf hin, dass sogar Tramperinnen ihre Schicksalsjahre haben und sogar Hausmeister Urlaub machen; außerdem sei der August ein äußerst sinnvoller Monat, um eine Zeit lang auszuspannen. Im August sind in New York (und in Paris, mon ami ) Psychoanalytiker, im Trend liegende Künstler und Hausmeister ausgesprochen dünn gesät.
    Sie lächelte nicht. Ich bin mir nicht sicher, ob sie den Hinweis auf Tom Robbins überhaupt verstanden hatte (Indirektheit ist der Fluch der lesenden Klasse). Sie sagte, auch wenn es vielleicht stimme, dass der August ein guter Monat sei, um abzuhauen und aufs Cape oder nach Fire Island zu fahren, stehe ihre verdammte Wohnung praktisch in Flammen , und der verdammte Airconditioner gebe keinen Mucks von sich. Ich fragte sie, ob ich es mir ansehen solle, und ich erinnere mich gut an den Blick, mit dem sie mich daraufhin musterte – diese kühlen, abschätzenden grauen Augen. Ich weiß noch, dass ich dachte, dass solche Augen vermutlich ziemlich viel sahen. Und ich erinnere mich an mein Lächeln, als sie mich fragte: Sind Sie ungefährlich? Das erinnerte mich an diesen Film, nicht Lolita (das Nachdenken über Lolita, manchmal um zwei Uhr morgens, kam erst später), sondern an den, in dem Dustin Hoffman von Laurence Olivier eine improvisierte Zahnbehandlung verpasst wird und dieser ihn ständig fragt: Ist es sicher?
    Ich bin ungefährlich, sagte ich. Hab seit über einem Jahr keine Frau mehr überfallen. Früher waren es zwei bis drei pro Woche, aber die Gruppentherapie hilft.
    Eine alberne Antwort, aber ich war in ziemlich alberner Stimmung. In Sommerlaune . Sie musterte mich nochmals, dann lächelte sie . Streckte mir die Hand hin. Paula Robeson, sagte sie. Es war die Linke, die sie ausstreckte – nicht normal, aber die Hand mit dem schlichten Goldring. Ich glaube, das war vermutlich Absicht, oder nicht? Aber dass sie mir erzählte, ihr Mann sei im Import-Export-Geschäft, kam erst später. An jenem Tag, an dem ich an der Reihe war, sie um Hilfe zu bitten.
    Im Aufzug warnte ich sie davor, zu viel zu erwarten. Hätte sie jedoch einen Mann gebraucht, der die wahren Ursachen der New Yorker Wehrpflichtigen-Unruhen ermittelt oder ein paar amüsante Anekdoten über die Entwicklung des Impfstoffs gegen Windpocken liefert oder sogar Zitate über die soziologischen Auswirkungen der TV-Fernbedienung ausgräbt (meiner bescheidenen Meinung nach die wichtigste Erfindung der letzten fünfzig Jahre), wäre ich ihr Mann gewesen.
    Recherche ist Ihr Beruf, Mr. Staley?, fragte sie, als wir mit dem langsamen, klapprigen Aufzug hinauffuhren.
    Ich bekannte mich dazu, ohne allerdings hinzuzufügen, dass ich in dieser Branche noch ziemlich neu war. Ich forderte sie auch nicht auf, mich Scott zu nennen – das hätte sie gleich wieder kopfscheu gemacht. Und ich erzählte ihr erst recht nicht, dass ich mich bemühte, alles zu vergessen, was ich einst über landwirtschaftliche Versicherungen wusste. Dass ich in Wahrheit versuchte, einen ganzen Haufen Dinge zu vergessen, darunter ungefähr zwei Dutzend Gesichter.
    Wie man sieht, kann ich mich noch an ziemlich viel erinnern, auch wenn ich mich vielleicht zu vergessen bemühe. Ich glaube, das tun wir alle, wenn wir uns auf etwas konzentrieren (und manchmal, recht viel unangenehmer, wenn wir es nicht tun). Ich erinnere mich sogar an etwas, was einer dieser südamerikanischen Romanciers gesagt hat – also, einer dieser sogenannten Magischen Realisten, ja? Nicht an den Namen des Typen, der ist nicht wichtig, sondern an dieses Zitat: Im Säuglingsalter besteht unser erster Sieg darin, dass wir ein kleines Stück der Welt ergreifen, gewöhnlich die Finger unserer Mutter. Später entdecken wir, dass die Welt und die Dinge der Welt uns ergreifen, uns schon immer festgehalten haben. Borges? Ja, das könnte von Borges sein. Oder von Márquez. Daran kann ich mich nicht erinnern. Ich weiß nur, dass ich

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